Eine holsteinische Unternehmensgruppe bildet eine rein weibliche Fahrschulklasse aus. Der TÜV Nord und das Jobcenter helfen dabei.

Hamburg. Witze, die auf die angeblich schlechteren Fahrkünste von Frauen anspielen, können Tanja Sickelka, 36, nur ein Höflichkeitslächeln entlocken. Die Billstedterin bezeichnet sich als gute Autofahrerin, besonders das Einparken falle ihr leicht. "Je kleiner die Lücke, desto besser", sagt sie und stützt sich mit ihrem Arm an der Lehne eines Bussitzes ab - ihr neuer Arbeitsplatz.

Tanja Sickelka ist eine der 14 Frauen, die derzeit im TÜV-Nord-Schulungszentrum Nienstedten zur Busfahrerin ausgebildet werden. Das Ganze ist eine Kooperation zwischen TÜV Nord, dem Jobcenter und der Unternehmensgruppe Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein und Pinneberger Verkehrsgesellschaft (VHH PVH).

Ziel ist es, Frauen, die ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können oder nach einer Pause den Wiedereinstieg nicht schaffen, einen Arbeitsplatz zu bieten. Aber auch das Busunternehmen, das Teil des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) ist, profitiert von den weiblichen Kollegen. "Etwa jeder zweite unserer Fahrgäste ist eine Frau", sagt VHH-PVH-Sprecher Kay Goetze. "Grund genug, um diesen Wert auch als Ziel bei der Belegschaft anzupeilen." Bisher sind unter den 1100 Mitarbeitern nur 126 Busfahrerinnen.

Noch bis Dezember wird die erste reine Frauenklasse im TÜV-Nord-Schulungszentrum ausgebildet. Dazu gehören neben dem Erwerb eines Busführerscheins auch Schulungen im Umgang mit Kunden und eine Handelskammerprüfung für den Personenbeförderungsschein. Kurz vor Weihnachten kommen die Absolventen dann zum Busunternehmen und werden in ihr neues Tätigkeitsfeld eingearbeitet - sie lernen das Tarif- und Streckensystem, gehen zwei Wochen mit erfahrenen Kollegen auf Tour und lernen etwa, ihre Stundenzettel auszufüllen. Finanziert wird die Ausbildung durch Bildungsgutscheine des Jobcenters. Die Teilnehmerinnen wurden von diesem vorgeschlagen und dann von den anderen beiden Kooperationspartnern bei einem Schnuppertag inklusive einer ersten Busfahrt als Fahrer ausgewählt.

+++ Nadine fährt am liebsten 40-Tonner +++

+++ Ein Busfahrer braucht den richtigen Rhythmus +++

Axel Kaiser, 51, Geschäftsstellenleiter des TÜV-Nord-Schulungszentrums, ist beeindruckt von "seinen Mädels", wie er sagt: "Sie sind sehr viel wissbegieriger als Männer." Trotzdem sei der Unterricht entspannt und locker, Fragen gehören zur Tagesordnung. "Männer denken immer, sie können und wissen schon alles", sagt Kaiser. "Aber da gibt es in dieser Klasse keine Scheu. Sie fragen einfach, wenn sie was nicht verstehen." Manche Dinge sind aber auch anstrengender. Oft müssen Pausen gemacht werden, weil die Gruppe einen kollektiven Lachanfall hat. "Das hört man auf unseren Fluren sonst eher selten", sagt Kaiser. Aber die Klasse verstehe sich nun mal außergewöhnlich gut.

"Wir halten zusammen und unterstützen uns, wenn eine etwas nicht versteht", bestätigt Tanja Sickelka. Sie selbst hat lange in der Gastronomie gearbeitet, hatte eine eigene Gaststätte. Doch vor einigen Jahren liefen die Geschäfte zu schlecht, und sie verlängerte den Pachtvertrag nicht. "Danach habe ich zwar nach einer neuen Arbeit gesucht, aber lange nicht das Richtige gefunden", sagt Sickelka. An der Gastro-Branche liebte sie den Umgang mit Menschen, das wollte sie auch in ihrem neuen Job. "Als Busfahrerin treffe ich jetzt auf ganz unterschiedliche Leute. Das finde ich spannend."

Zudem hat sie einen Sohn, der mittlerweile 13 Jahre alt ist. "Dadurch habe ich jetzt viel mehr Möglichkeiten", sagt sie. Schichten und Nachtfahrten seien für sie kein Problem. "Ich würde auch ohne Probleme einen Nachtbus fahren, der am Kiez hält." Sie glaubt nicht, dass es mit Fahrgästen oder Kollegen Probleme geben könnte, weil sie eine Frau ist. "Und wenn, dann werde ich spontan kontern", sagt sie. Überhaupt verstehe sie nicht, warum so viel Aufhebens um ihr Geschlecht gemacht wird. "Die Zeiten, in denen es üblich war, dass die Frau in der Küche hinter dem Herd steht, sind doch nun wirklich vorbei."