So war's: Vor fast 40 Jahren rief das Abendblatt schon einmal dazu auf, Bäume zu spenden. Innerhalb eines Jahres wurden 70.000 gepflanzt.

Hamburg. Der Erste Bürgermeister greift selbst zum Spaten. Im dunklen Wollmantel pflanzt er auf der Moorweide einen Baum. Danach kommt die Gießkanne zum Einsatz. Es gibt viele Zuschauer und wohlwollenden Applaus. "Grünes Hamburg" heißt die Aktion, die die Stadt "noch grüner, noch umweltfreundlicher, noch liebenswerter" machen soll. Klingt doch sehr modern. Und passt perfekt dazu, dass Hamburg in diesem Jahr Umwelthauptstadt ist. Tatsächlich ist der Aufruf fast 40 Jahre alt. Nachzulesen auf der Titelseite des Hamburger Abendblatts vom 8. März 1972. "Pflanzen Sie einen Baum", lautete der Appell an die Hamburger. Schirmherr war der damalige Bürgermeister Peter Schulz (SPD). Er war es auch, der im April 1972 selbst den Spaten ansetzte.

Jetzt gibt es wieder eine große Baumkampagne in Hamburg , gestartet hat sie die Umweltbehörde. Unter dem Motto "Mein Baum - Meine Stadt" kann jeder Hamburger für seinen ausgewählten Straßenbaum spenden. Das Ziel: die 2500 Lücken an Straßen und Plätzen zu füllen, die nach dem Fällen von alten und kranken Bäumen in den vergangenen Jahren entstanden waren. Das Abendblatt unterstützt die Aktion, die noch bis Ende Oktober läuft.

+++ So können Sie spenden +++

Zurück ins Frühjahr 1972. In Hamburg schlagen Biologen und Gartenbauer Alarm. "Hamburgs grüne Lungen drohen zu ersticken", warnt der renommierte Botanikprofessor und Baumexperte, Ulrich Ruge. Seit fünf Jahren sterben die Bäume. Immer mehr Autos verpesten mit ihren Abgasen die Luft. Schädliche Streusalze versickern im Boden. Straßenbauarbeiten beschädigen das Wurzelwerk. Ganze Baumreihen an den Hauptverkehrsachsen müssen abgeholzt werden. Uralte Ahorne und Linden oder auch die 100-jährigen Eichen am Borsteler Knoten siechen dahin. Da setzt die Aktion "Grünes Hamburg" an.

"Das war eine Initialzündung", sagt Altbürgermeister Peter Schulz heute. Die Hamburger waren von Anfang an begeistert. Innerhalb von einem Jahr wurden 70.000 Bäume gepflanzt, davon etwa 10.000 auf öffentlichem Grund. "Durch die Kriegsschäden und den Bau neuer Straßen waren ganze Areale ohne Bäume", erinnert sich der SPD-Politiker, der von 1971 bis 1974 Senatschef war. Eine Umweltbehörde gab es noch nicht, Schulz installierte in seiner Amtszeit aber eine "Leitstelle Umweltschutz" im Rathaus. Ein "Herzensanliegen" sei ihm die Aktion "Grünes Hamburg" gewesen. Immer wieder rührte er die Werbetrommel und ließ sogar Verordnungen ändern, damit Parkbuchten verlegt und Bäume gepflanzt werden konnten. "Bäume sind etwas Herrliches", sagt der heute 81-Jährige. "Es gibt kaum etwas Lebendes, das die Eigenschaft hat, über die Zeiten hinwegzugehen. Bäume haben etwas von Ewigkeit." Schulz pflanzte auch eine Eiche in seinem Garten in Langenhorn. "Das ist bis heute mein Lieblingsbaum."

Andere Prominente folgten dem Beispiel, Helmut Schmidt, damals Verteidigungs- sowie später Wirtschafts- und Finanzminister in Bonn, spendete einen Baum in Horn. Der damalige CDU-Fraktionschef Jürgen Echternach und seine Frau Monika setzten eine Eiche als Hochzeitsbaum. Das Abendblatt dokumentierte auch, wie sich Hamburger überall in der Stadt engagierten. Gepflanzt wurde am Bergedorfer ZOB, vor der Justizbehörde an der Drehbahn, in Neubaugebieten am Osdorfer Born oder in Neuwiedenthal und auf vielen Schulhöfen.

Die Flemingstraße in Winterhude wurde mit Setzlingen "aufgeforstet", ebenso eine Verkehrsinsel im Brombeerweg in Fuhlsbüttel. "Da ist damals ein Ruck durch die Stadt gegangen", erinnert sich der inzwischen pensionierte Abendblatt-Redakteur Horst Münch. "Wenn man das jetzt wieder macht, ist das eine gute Sache." Auch wenn die Umweltbelastung in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist, haben es Straßenbäume in Hamburg schwer. Deshalb werden alle Spendenbäume, die in diesem Herbst gepflanzt werden sollen, anders als bei der Aktion 1972, schon zehn bis 15 Jahre alt sein und einen Stammumfang von 20 bis 25 Zentimetern haben. Dann haben sie realistische Chancen, zum echten Luftreiniger zu werden. Allerdings sind die Kosten auch deutlich höher als bei der Aktion 1972. Damals veranschlagten die Baumexperten für den Ersatz eines Straßenbaums 500 Mark, die Kosten für eine Neupflanzung schlugen je nach Art mit 50 und 200 Mark zu Buche. Heute kostet es 1000 Euro, einen Straßenbaum zu ersetzen, der Großteil fließt in die Vorbereitung. Auch Ex-Bürgermeister Schulz ist wieder unter den Spendern. Ganz im Zeichen der Parteiräson hat der SPD-Politiker sich einen Baum an der Willy-Brandt-Straße ausgesucht - eine holländische Linde. Zum Spaten greift er nicht. Das erledigen die Fachleute.

Die Umweltbehörde sucht im Rahmen der Aktion "Mein Baum - Meine Stadt" Paten. Bekennen Sie sich zu Ihrem Baum und schicken Sie uns Ihre Geschichte an baum@abendblatt.de Die schönsten Texte werden mit Foto veröffentlicht.