Die 18-jährige Thu-My Ly fühlt sich als Hanseatin und spielt auch Theaterstücke op Platt. Seit der zweiten Klasse nimmt sie Sprachunterricht.

Hamburg. Klookschieter? Kennt man. Auch die Gnadder- und Knickerbüdels Hamburgs sind zur Genüge bekannt. Aber Katteker? Mysteriöse Einwohner sind das, die zu Tausenden die Hansestadt bevölkern. "Katteker", sagt Thu-My Ly, "sind Eichhörnchen." Op Platt natürlich . Und um das Wort zu kennen, muss man eigentlich Vollbluthamburger mit urhanseatischen Wurzeln sein.

Thu-My Ly ist das nicht - zumindest nicht im klassischen Sinne. Sie wohnt zwar in Volksdorf, doch ihre Herkunft, das ist rasch zu erkennen, liegt auf einem anderen Kontinent. Sie trägt einen Namen, der das verrät, dazu ein Yang-Zeichen um den Hals und ein Abbild der chinesischen Schutzgöttin Guanyin. Die Eltern der 18 Jahre alten Abiturientin kamen aus China nach Hamburg, Thu-My Ly wurde hier geboren. Zu Hause wird ein südchinesischer Dialekt gesprochen, sonnabends geht sie zum Mandarin-Unterricht. Ihre Leidenschaft aber gehört dem Platt. Dass "88" da "tachentachentig" heißt und aus Neugier "Neeschier" wird, weiß manch anderer von klein auf. Thu-My Ly musste es sich mühsam aneignen. "Meine Eltern verstehen nichts davon", sagt sie. "Aber sie freuen sich, dass ich noch eine Sprache lerne." Angefangen hat alles mit der Musik. Mit alten Liedern wie "Dat du mien Leevsten büst" oder das Weihnachtsstück "Dat Johr geiht to End" - ruhige, getragene Stücke mit einem Schuss Melancholie, wie er typisch ist für die Städte am Meer. Thu-My Ly fühlt sich als Hanseatin. Und sie stimmte schon immer gerne ein, wenn jemand anders zu singen begann. Platt, sagt sie, sei eine Sprache, die zur See gehöre. "Das klingt immer gleich wie Hafen."

++++ Wat mutt, dat mutt! Plattsnackers bevorzugt +++

Seit der zweiten Klasse nimmt sie Sprachunterricht, erst in Schul-AGs, dann im kleinen Kreis. Sie spielt op Platt Theaterstücke und tritt bei Vorlesewettbewerben auf. Im Seniorenzentrum St. Markus hat sie vor wenigen Tagen den ersten Platz gemacht. "Ich finde es schade, wenn alte Sprachen aussterben", sagt sie. "Besonders so eine schöne wie das Platt."

Dafür hat sie Vokabeln gebüffelt und sich Grammatik- und Aufgabenbücher zugelegt. Sie lernt "Hauptwöör", "Eenthal" (Singular) und "Mehrthal" (Plural) und schreibt auch selbst Geschichten. "Hebbt Spökels Fööt?" heißt eine - "Haben Gespenster Füße?"

Angesagt war das unter Gleichaltrigen zwar nie besonders, umso mehr aber unter Muttersprachlern. Den alteingesessenen Hamburgern gefällt die eigentlich ganz moderne Mischung aus Tradition und Exotik. Seit Thu-My Ly im zarten Alter von acht Jahren das erste Mal auf einer Bühne stand und Platt snackt harr, ist sie eine kleine Berühmtheit. "Wie geht's denn der kleinen Chinesin?", wird ihre Lehrerin immer wieder gefragt.

Das Platt, sagt Thu-My Ly, passe zu ihr. Zum einen, weil es sich zum Hochdeutschen so verhält wie der Dialekt ihrer Eltern zur chinesischen Sprache. Vor allem aber, weil sie ein Mensch ist, dem viel an Harmonie gelegen ist. Wenn schon fluchen, dann op Platt: "Dann klingt alles gleich viel weniger böse."

Nun, da sie sich um einen Studienplatz in Medizin bewirbt, könnte ihr Hobby zwar bald Konkurrenz bekommen. Koreanisch will sie lernen, Japanisch auch. Trotzdem hofft sie, ihre Platt-Kenntnisse auch öfter einmal am Muttersprachler ausprobieren zu können. Daran hapert es manchmal, auch weil ihr schnell englische Wörter dazwischenrutschen. Manchmal ist es kompliziert mit den vielen Fremdsprachen. Zu Hause hält sie sich deshalb mit dem Platt zurück. Nur ein lässiges "Allens kloor", sagt sie - das rutsche ihr auch vor den Eltern oft raus.