Eine Glosse von Nico Binde

Machen wir uns nichts vor: Stromausfälle wie gestern in Hamburg sind mitnichten romantische Momente der Einkehr. Sie sind zwischenmenschliche Brandbeschleuniger. Da können Zivilisationsnostalgiker noch so oft behaupten, Elektrizitätsaskese stärke das Gemeinschaftsgefühl der Sippe, weil sich alle in der zugigen Altbaustube einfinden, um bei Kerzenschein die Rückkehr des elektrischen Lichts zu feiern. Ebenso ist Legende, die Wolllust zweier beziehungsgefestigter Menschen erreiche bei Stromausfällen alte Intensität.

Die Wahrheit sieht doch so aus: Infolge des Erstkontakts mit eiskaltem Duschwasser bricht der hauseigene Dreikäsehoch mit Schreikrämpfen zusammen. Aus Frust, zum Trost kein Ki.Ka gucken zu können, wird der Fernseher bemalt. Soziophobe Familienmitglieder bestehen während einer kurzen Audienz auf Zuteilung einer Privatkerze. Und bei den ehemals Liebenden von Pont-Neuf wird angesichts dessen aus Wolllust ganz schnell Schmolllust. Es ist eben ein bisschen wie bei dieser verkürzten Kolumne: Ein Licht soll aufgehen. Schnell!