Ein Kommentar von Daniel Herder

Tätliche Übergriffe, Pöbelattacken und zuletzt die provokante These eines Professors, Polizisten jammerten auf hohem Niveau - ist es da noch überraschend, dass Hamburgs Polizei die Bewerber ausgehen?

Das allein erklärt die Nachwuchssorgen jedoch nicht. Schließlich weiß, wer Polizist werden will: Dieser Job ist kein Streichelzoo. Zudem konkurriert die freie Wirtschaft in Zeiten geburtenschwacher Jahrgänge intensiv und häufig erfolgreich mit Vater Staat um die besten Kräfte.

Nicht der Polizeidienst per se ist unattraktiver geworden. Es sind die Rahmenbedingungen, die jungen Leuten die Lust auf eine Karriere bei der Staatsgewalt vergällen. Kürzungen und Streichungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld stehen einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit gegenüber. Mehr Arbeit für weniger Geld - das müssen auch andere Beamte erdulden. Doch welchen jungen Menschen, der die Wahl hat, überzeugt das schon? Gerade weil diese strukturellen Mängel lange bekannt sind, besteht die Gefahr, dass eine Werbekampagne nur überflüssige Kosten, aber keine neuen Bewerber mit sich bringen wird.

Über die harte Realität des Polizeidienstes aufzuklären ist allemal ehrlicher und sinnvoller, als zu versuchen, den Nachwuchs mit butterweichen Slogans einzufangen. Eine derartige Kampagne wäre auch nicht mehr als eine Nebelkerze. Und wenn dazu die Polizei quasi durchs Hintertürchen nun mehr Bewerber rekrutieren will, indem sie den Deutschtest stark vereinfacht, dann zeigt das wohl, dass die Lage noch beklemmender ist, als es bisher den Anschein hatte.