Betreute Spielplätze finden großen Anklang. Wegen Renovierungsbedarfs wurden jetzt zwei von einst 30 geschlossen. Weitere könnten folgen.

Ottensen. Helena kurvt mit dem Dreirad herum. Henrik buddelt selbstvergessen im Sand und Ilias hat Hunger. Als Sybille Wernecke pünktlich um 10 Uhr das Tor zu dem offenen Holzhaus auf dem Spielplatz Lisztstraße aufmacht, ist der dreijährige Knirps einer der Ersten, der an die Tischchen mit den rot karierten Tischdecken stürzt und seine Brotdose öffnet. Um ihn herum sitzen gut 20 Jungen und Mädchen, gut verpackt in Regenjacken und wasserdichte Hosen. "Die Kinder kommen ja bei jedem Wetter, auch bei Regen. Da braucht man die richtige Kleidung", sagt Betreuerin Wernecke und zieht ihre Strickjacke enger. Im bunten Spielhaus wird nur gefrühstückt, alles andere findet draußen statt. Der Ottensener Spielplatz ist einer von 28 in der ganzen Stadt, auf denen der Verein Aktion Spielparadies eine Vormittagsbetreuung für die ganz Kleinen anbietet, eine Open-Air-Alternative zur Krippe.

Hunderttausende Kinder waren seit 1952 dabei. Doch jetzt droht der Hamburger Institution ernste Gefahr. "Inzwischen sind die Spiel- und Wetterhäuser auf vielen Plätzen nicht mehr zeitgemäß und müssen dringend renoviert und erweitert werden", sagt Geschäftsführerin Elisabeth Wierich. Oft gebe es keine Heizung, teilweise kein warmes Wasser, die Toiletten könne man wohlwollend rustikal nennen. Zum Teil sei die Lage so prekär, dass das Angebot gefährdet ist. Die ersten beiden Spielplätze (Nordheimstraße in Ohlsdorf und Hölderlinspark in Barmbek) musste sie dicht machen, "weil sie pädagogischen Standards nicht mehr genügten". Weitere Schließungen sind nicht auszuschließen. Seit Jahren kämpft der Verein darum, dass die Bezirke ihrer Verpflichtung zur Instandhaltung der Spielhäuser nachkommen, und um eine höhere Projektförderung von der Sozialbehörde. Derzeit sind es gerade mal 70 000 Euro im Jahr. Das Ziel: ein Masterplan, um die Hütten nach und nach aus- und umzubauen - und so das bundesweit einzigartige Konzept zu retten und weiterzuentwickeln. "Aber die Behörden mauern", sagt die Kinderparadies-Chefin.

Beispiel: der Spielplatz Meenkwiese im Bezirk Nord. Mit Unterstützung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hatte Wierich ein Umbaukonzept für die marode Spielhütte entwickeln lassen. "Aber meine Versuche, den Bezirk ins Boot zu holen, waren erfolglos. Auf Nachfragen beim zuständigen Gartenbauamt habe es lapidar geheißen, der Verein könne gern bauen, Geld gäbe es aber nicht. Auch der Plan, ein Modellvorhaben auf der internationalen gartenschau (igs) zu schaffen, stagniert.

Dafür hatten Verein und Paritätischer Wohlfahrtsverband eigens einen innovativen Holzbau entwickeln lassen. "Die Idee ist, dass die Spielbox nach der Gartenschau als dauerhaftes Angebot bestehen bleibt", sagt Kita-Referent Martin Peters. "Waldpädagogik auf urbane Art" nennt er das. Die Macher der igs waren begeistert. Doch der Bezirk Mitte, wo der Antrag Anfang 2010 einging, reagierte trotz Nachfragen nicht. "Grundsätzlich sind wir weiter interessiert", sagt igs-Sprecherin Ina Heidemann. Allerdings müsse man prüfen, ob das Projekt noch bis zum Beginn der Ausstellung zu verwirklichen ist.

Zwar gebe es auch andere Fälle, etwa im Bezirk Wandsbek, wo die Kooperation besser laufe, sagt Elisabeth Wierich. Aber inzwischen ist die Sozialpädagogin, die als einzige hauptamtliche Mitarbeiterin des Vereins auf einer Teilzeitstelle sowohl die pädagogische Betreuung als auch die Organisation managt, ziemlich resigniert. Die Aktion Kinderparadies spare der Stadt schließlich in erheblichem Maße Kosten für die Kinderbetreuung in Krippen und Kitas. Jeden Vormittag werden mehr als 450 Kinder zwischen anderthalb und vier Jahren auf den Kinderparadies-Spielplätzen betreut. Knapp 100 000 sind es im Jahr. Einen Euro kostet die Betreuung pro Kind und Stunde, gezahlt wird die Aufwandsentschädigung direkt an die 80 ehrenamtlichen Betreuerinnen - ganz ohne städtischen Zuschuss. "Im Prinzip ist das Angebot doch ein Geschenk an die Stadt. Aber die geht damit schludrig um", sagt auch Kita-Referent Peters und fordert "eine zusätzliche Förderung von 150 000 Euro pro Jahr für die anstehenden Baumaßnahmen. Sonst ist das Projekt akut gefährdet." Aus seiner Sicht ein Fehler. Angesichts des ab 2013 festgeschriebenen Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz sei die Spielplatzbetreuung zudem ein kostengünstiges Zusatzangebot. Denkbar seien analog zu den Kita-Gutscheinen auch flexibel einsetzbare Spielplatz-Gutscheine.

Auch unter den Eltern macht sich Unruhe breit. Seit etwa der Ohlsdorfer Spielplatz Nordheimstraße geschlossen ist, wächst die Warteliste auf dem nächst gelegenen Platz stetig. "Das sorgt für Unmut", sagt Geschäftsführerin Wierich. "Aber ich konnte nicht mehr verantworten, dass dort Kinder betreut werden." Auch auf dem Spielplatz Lisztstraße muss saniert werden. Kosten liegen nach einer ersten Schätzung bei 70 000 Euro. Um zu zeigen, wie wichtig ihnen der betreute Spielort ist, haben die Ottensener jetzt zur Selbsthilfe gegriffen. Unter Leitung von Spielplatz-Betreuerin Wernecke, einer Musikpädagogin, ist ein Liederbuch mit Spielplatzliedern und CD entstanden, um Spenden zu sammeln. Infos: www.aktion-kinderparadies.de