Die Spieltheorie eines Wirtschaftsexperten: Welche Bedeutung es im Sport hat, für den Gegner unberechenbar zu sein

Alle reden von Götze, Kagawa und Großkreutz. Doch was macht Borussia Dortmund so stark? Und was können andere Vereine wie der HSV, der vor der schwierigen Aufgabe steht, eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen, von Dortmund lernen?

Die Erklärung des Erfolgs von Borussia Dortmund liegt in folgender Frage: Was wäre Götze ohne Kagawa und Großkreutz? Ein genauso guter Spieler zweifellos, allerdings bei Weitem nicht so effektiv.

Es sind die Variabilität im Spiel und die Vielzahl gleichwertiger Optionen im Angriff, die Dortmund für jeden Gegner unberechenbar und deshalb so schwer zu verteidigen machen.

Der Schlüssel zum Erfolg ist die Zehntelsekunde Vorsprung der Aktion vor der Reaktion, des Plans vor der Improvisation, die Mannschaften wie Dortmund oder Barcelona systematisch nutzen. Je variabler das Angriffsspiel ist, desto stärker wird der Gegner zur Antizipation gezwungen - und die ist mal richtig und mal falsch. Die Spieltheorie zeigt, welche Bedeutung es im Sport hat, für den Gegner unberechenbar zu sein.

Verfügt eine Mannschaft lediglich über eine einzige starke Angriffsvariante, ist es für den Gegner offenkundig leicht, sich darauf einzustellen. Existiert eine zweite Angriffsvariante, ist es bereits deutlich schwieriger, beide Varianten zu verteidigen.

Die angreifende Mannschaft kann nun die Torquote maximieren, indem sie die beiden Angriffsvarianten so mischt, dass der Gegner gezwungen ist zu antizipieren. Im Gleichgewicht spielen beide Mannschaften ihre optimale Strategie: Weder die angreifende Mannschaft kann dann durch eine andere Angriffsstrategie die Torquote erhöhen noch der Gegner durch eine andere Verteidigungsstrategie die Torquote senken.

Interessant ist nun die Frage, wie eine Mannschaft dieses Gleichgewicht zu ihren Gunsten verändern und die Torquote erhöhen kann. Sollte sie von zwei Angriffsvarianten eher die starke oder die schwächere verbessern? Nicht unbedingt intuitiv, aber spieltheoretisch vorteilhaft ist es, die schwächere zweier Varianten stärker zu machen, um ausgeglichener und somit weniger berechenbar zu sein.

Die Konsequenz ist nämlich, dass im neuen Gleichgewicht die angreifende Mannschaft nun häufiger als vorher ihre starke Variante spielt - und nicht etwa seltener. Denn der Gegner muss jetzt öfter als zuvor die nach wie vor schwächere, aber im Vergleich zu vorher verbesserte Variante verteidigen. Mit der Folge, dass die Torquote insgesamt steigt, weil die vermehrten Angriffe über die starke Variante häufiger zum Torerfolg führen.

Die eigentliche Stärke kommt folglich erst dann zur Geltung, wenn eine Mannschaft über möglichst gleichwertige Alternativen verfügt.

Für die Transferpolitik hat diese Einsicht wichtige Implikationen: Ein Ausnahmespieler wie Götze entfaltet erst im Zusammenspiel mit anderen starken Spielern wie Kagawa und Großkreutz seine volle Effektivität. Durch diesen "Hebel" wird ein sportlicher Mehrwert erzeugt. "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile": Nach diesem Prinzip funktionieren erfolgreiche Mannschaften.