Schon im Kinderzimmer übte die 36-Jährige fürs Fernsehen. Nun präsentiert die Journalistin die RTL-Nachrichten für den Norden.

Hamburg. Jede Nacht, verlässlich zwischen vier und fünf Uhr in der Früh, wacht Jasmin Wiegand kurz auf. Schreckt zusammen, lässt sich dann noch einmal wohlig zurücksinken, um weiterzuschlafen. Denn vorbei sind die Zeiten, in denen der Arbeitstag der 36-Jährigen im Morgengrauen anfing.

"Diese frühe Aufstehzeit bekomme ich einfach nicht raus", sagt Wiegand. Zehn Jahre lang führte die heutige RTL-Moderatorin mit ihrer vollen Stimme durch Morningshows im Radio, sechs Jahre bei Radio NRJ in Berlin, dann in Leipzig beim Sender PSR. Sofort nach dem Abi ging es los. "Natürlich sollte ich von meinen Eltern aus studieren, aber wegen meiner eher mäßigen Abiturnote hätte ich viele Wartesemester für Kommunikationswissenschaften gebraucht, und so konnte ich sie davon überzeugen, dass es sinnvoll ist, die Zeit für ein Radiopraktikum zu nutzen", erzählt Wiegand schmunzelnd. Ihre Chefs erkannten den unbändigen Willen der Berlinerin und ließen sie nach einigen Tests vors Mikrofon. "In der Zeit, in der alle meine Freunde Party gemacht haben und um die Häuser gezogen sind, da habe ich eben gearbeitet und bin früh ins Bett gegangen", sagt sie und nimmt einen Schluck ihres Latte macchiato, dann ein bisschen Apfelschorle.

Wiegand hat beide Getränke im La caffetteria bestellt, einem Café nahe ihrer Wohnung und dem Sender am Falkenried. Denn vor vier Jahren wechselte sie das Medium, wollte einen Schritt weiter gehen und begann bei RTL Nord ein Moderationsvolontariat. Seitdem lebt sie in Hamburg und bekam ihre eigene halbstündige Sendung: Täglich moderiert sie vom Sendezentrum am Straßenbahnring um 18 Uhr die RTL-Lokalnachrichten für Niedersachsen und Bremen. "Ich bin glücklich mit dem, was ich mache. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht gerne in die Redaktion gehe", sagt Wiegand.

Sie spricht jetzt ruhig, hat die Hände im Schoß gefaltet. Das liege an den Kollegen, aber eben auch an der abwechslungsreichen Arbeit. "Ich bin den ganzen Tag mit den Redakteuren am Telefon verbunden, bevor ich meine Moderationen schreibe, und werde immer über den aktuellen Stand der Geschichten informiert."

Zehn Jahre Live-Moderations-Erfahrung seien für sie immer eine Hilfe, falls sie spontan reagieren müsse oder als "anchor on location", also nicht im Studio sondern von außerhalb ihre Sendung moderiere. Und manchen Fehler mache man eben nur einmal. Zum Beispiel vor der ersten Sendung vor Aufregung eine komplette Tafel Keks-Schokolade zu essen - in Übergröße. Ihr wurde schlecht.

Doch eigentlich hat die Medienkarriere der Halb-Türkin bereits im Kindesalter begonnen: "Ich habe meinen Vater immer gebeten, mir die größten Pappkartons von Aldi mitzubringen. Daraus habe ich mir dann meinen Bildschirm gebastelt, oben meine orangene Schreibtischlampe drangeklemmt und die Zeitung vorgelesen", sagt Wiegand und lacht laut. "Gut fand ich mich, wenn ich fehlerfrei durch einen Artikel kam."

Für ihren drei Jahre älteren Bruder Attila nahm sie selbst gesprochene Radio-Musik-Chart-Shows auf. "Mein Bruder ist mein Held, er hat mir viel mitgegeben", so Wiegand. "Er hat mir gezeigt, wie man sich durchsetzt, besonders, wie man Jungen hauen muss."

Sie strahlt, wenn sie von ihrer Familie in Berlin spricht, der Vater ist Deutscher, Diplom-Ingenieur, die Mutter Türkin. Sie hat viele Jahre lang in der Textilbranche gearbeitet. Heute leben die Eltern abwechselnd in Deutschland und der Türkei. "Aufgewachsen bin ich in Zehlendorf, direkt auf der West-Seite der Mauer. Vom Balkon aus konnte ich auf den Todesstreifen der DDR schauen", erinnert sie sich. "Das hatte für mich eine mystische Anziehung, ich wollte ganz früh alles über die DDR wissen, habe im Fernsehen die tschechischen Kinderserien geschaut und 'deren' Nachrichten - eigentlich war ich ein Ost-Kind auf der Westseite." Nach dem Mauerfall wohnte die Familie in Lichterfelde, dort sah sie viele Menschen, die in den Westen zogen. Ungebunden ist Wiegand auch privat, vor einigen Wochen endete ihre elfjährige Beziehung zu dem Unternehmensberater und professionellen Pokerspieler Benjamin Kang. Zu selten konnte das Paar seinen Alltag teilen, da er viel auf Reisen war, Turniere spielte.

Wiegand genießt es dafür jetzt umso mehr, Hamburg für sich neu zu entdecken, Cafés wie die Strand- oder Alsterperle. "Wenn ich mit meinem Roller durch diese tolle Stadt sause, dann bin ich einfach nur glücklich."