Kassenärzte-Verband verschickt jetzt Mahnbriefe, einige Forderungen gehen zurück bis 2007. Tausende Hamburger haben die Gebühr nicht gezahlt.

Hamburg. Jahre nach ihrem Arztbesuch bekommen jetzt viele Hamburger eine Mahnung von einer Anwaltskanzlei, weil sie ihre Praxisgebühr nicht bezahlt haben sollen. "Bei uns suchen viele Verbraucher Rat, weil sie sich nicht mehr erinnern können oder sicher sind, die Gebühr bezahlt zu haben", sagt Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Jährlich bleiben nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) 5000 bis 6000 Hamburger die zehn Euro pro Quartal ihrem Arzt schuldig. "Außer in einem Notfall sind die Mediziner nicht verpflichtet, den Patienten zu behandeln, wenn er nicht bezahlt", sagt Ann Martini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen. Dennoch gibt es viele Schuldner. Seit 2004 wird die Praxisgebühr erhoben.

Ein Kompetenzgerangel zwischen Krankenkassen, denen die Gebühr zusteht, und der KV hat dazu geführt, dass säumige Zahler jahrelang nicht behelligt wurden. Allenfalls bekamen sie in diesem Zeitraum eine Mahnung von ihrem Arzt. So konnten sich viele Tausend Fälle anhäufen, die erst jetzt abgearbeitet werden. Die Erinnerungsschreiben kommen von der Stuttgarter Kanzlei RVR Rechtsanwälte, die von der KV Hamburg beauftragt wurde. Die Kanzlei will sich nicht zu Details äußern.

"Das ist noch kein förmliches Mahnverfahren", sagt Verbraucherschützer Kranich. Werde die Forderung vom Patienten bestritten, sei die andere Seite beweispflichtig. Manchmal würden sich Fälle so erledigen. Auch Abendblatt-Leser Karl Drömer erhielt eine Zahlungsaufforderung. Er konnte aber belegen, dass er die jahrealte Forderung längst bezahlt hatte. "Ich kann nicht verstehen, welche Schlampereien da im Hintergrund ablaufen."

Ähnlich sieht es Kranich: "Es ist nicht akzeptabel, wenn die Patienten erst nach Jahren mit solchen Forderungen konfrontiert werden, da sie sich meist nicht mehr erinnern können und auch die Quittungen nicht so lange aufgehoben haben." Wenn der Anspruch aber berechtigt sei, rate die Verbraucherzentrale den Bürgern, den ausstehenden Betrag auch zu begleichen.

Nicht gezahlte Praxisgebühren verjähren erst nach vier Jahren. So können Forderungen aus dem Jahr 2007 noch bis Ende 2011 eingezogen werden. Ansprüche aus 2006 oder früheren Jahren sind dagegen gegenstandslos, sofern die Verjährung nicht durch einen Vollstreckungsbescheid oder andere Maßnahmen aufgehoben wird. Was passiert, wenn die säumigen Zahler nicht auf das Erinnerungsschreiben der Anwaltskanzlei reagieren, "liegt nicht mehr in unserem Ermessen", sagt Walter Plassmann, stellvertretender Vorsitzender der KV Hamburg. "Unsere Verantwortung hört noch vor dem juristischen Mahnbescheid auf."

Die Krankenkassen sehen dagegen die KV in der alleinigen Verantwortung und geben ihr auch die Schuld dafür, dass erst jetzt alte Forderungen eingetrieben werden. "Die KV Hamburg hat sich jahrelang ihrer gesetzlichen Pflicht entzogen, die ausstehenden Praxisgebühren einzuziehen", sagt ein hochrangiger Vertreter einer Krankenkasse. Erst seit Sommer 2010 gebe es darüber eine Einigung zwischen den Kassen und der KV Hamburg.

Diesen Zeitpunkt bestätigt auch Plassmann. "Aber dem sind viele Gespräche vorausgegangen, in denen wir die sehr unterschiedlichen Wünsche der Krankenkassen berücksichtigen mussten." So bekommen die Kassen erst eine Liste mit den säumigen Zahlern. "Die Kassen entscheiden schließlich, welche Daten an die Anwaltskanzlei gehen", sagt Plassmann. Denn nicht jeder Zahlungsunwillige soll gemahnt werden. "Wir möchten nicht, dass für Tote eine Zahlungserinnerung verschickt wird", sagt eine Sprecherin der Techniker Krankenkasse.