Viele Wandsbeker müssen mehr für die Sondernutzung einer Grünfläche bezahlen. Schuld ist Schlamperei des Amts. Fälle, die Hamburger aufregen.

Wandsbek. Direkt hinter dem Zuhause von Uwe Evers, 73, verläuft eine Grenze: die zwischen den Bezirken Wandsbek und Nord. Nur ein Weg aus braunen Steinplatten deutet auf die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche hin. Evers und die anderen 14 Parteien des Reihenhauses nutzen die Flächen vor und hinter der Linie grenzübergreifend als Gärten.

Das Problem: der Nord-Teil gehört direkt zu ihren gemieteten und gekauften Häusern, für den Wandsbek-Teil haben sie nur eine Erlaubnis zur Sondernutzung. Dies ähnelt einer Pacht. Gegen eine Gebühr dürfen die Anwohner die Fläche mitnutzen. Bisher kostete das alle zusammen 200 Euro im Jahr. Seit dem 1. Januar 2011 möchte der Bezirk Wandsbek nun 24 000 Euro. Also knapp 12 000 Prozent mehr.

Und das ist kein Einzelfall. Nachdem das Abendblatt über Hans-Friedrich Techentin, 85, aus Sasel berichtete, der statt 25 Euro im Jahr nun fast 1200 Euro für die Nutzung einer Grünfläche vor seinem Haus zahlen soll, gingen viele Leserbriefe ein. Manche schilderten ähnlich extreme Preisanstiege.

Vor 28 Jahren bauten Elke Schütt-Lange, heute 69, und ihr Mann ihr Häuschen im Bezirk Wandsbek. Ihnen wurde empfohlen, für den kleinen Wiesenweg neben ihrem Grundstück eine Sondernutzung zu beantragen. Das Paar hielt das gut 100 Quadratmeter große Gelände in Ordnung, setzte entsprechend einen Zaun sowie eine Hecke und errichtete einen Carport, der zum Teil auf der Wiese steht. 153 Euro zahlten sie bisher für die Sondernutzung, nun sollen es 1200 Euro sein.

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"Das steht doch in keinerlei Verhältnis zueinander. Der Sprung ist einfach zu heftig", sagt Schütt-Lange. Das Ehepaar fühlt sich schlecht informiert. "Wir verstehen auch überhaupt nicht, warum das jetzt anders ist", sagt Elke Schütt-Lange. Wenn sie vorher von dem enormen Preisanstieg gewusst hätten, hätten sie nach einer anderen Lösung gesucht. Aber nun müssen sie den neuen Preis schon mal sicher rückwirkend bis zum 1. Januar dieses Jahres bezahlen. Das Paar hat per Einschreiben Widerspruch eingelegt. "Aber der ist angeblich nicht angekommen, und so warten wir noch immer auf eine Antwort", sagt Schütt-Lange.

Auch Holger Detjen hat mittlerweile regen Schriftverkehr mit dem Bezirksamt Wandsbek. "Statt 41 Euro jährlich soll ich für die Nutzung eines kleinen Grundstücks am Ahrensburger Weg nun 3600 Euro zahlen", sagt er. "Das ist eine Erhöhung um 9000 Prozent. So was ist für den Bürger einfach nicht nachvollziehbar." Deshalb ist Detjen auch nicht bereit, die neue Summe zu zahlen. Gleich nachdem er den Gebührenbescheid Ende Januar erhielt, hat er die Sondernutzung gekündigt. Trotzdem soll er für den Januar noch 300 Euro zahlen. Allein schon das übersteigt die frühere Jahresgebühr um einiges. "Aber ich habe bis heute noch keine Antwort auf meinen Widerspruch erhalten", sagt Detjen. Außerdem will er wissen, wer sich von nun an um das Gelände kümmert. "Sonst verwildert es rasch."

Uwe Evers und seine Nachbarn aus dem Reihenhaus wollen sich zusammenschließen und im Notfall mit einem Anwalt gegen die Erhöhung vorgehen. "Wir können diese Willkür nicht nachvollziehen und sind tief enttäuscht", sagt Evers. "Es bleibt uns nur zu kämpfen." Denn 24 000 Euro, auf die einzelnen Häuser umgerechnet sind das 1600 Euro, sind für viele Anwohner nicht zu bezahlen. Hinzu kommt ihre Angst, dass das Gelände - sollten sie es in Zukunft nicht weiter pachten - bebaut wird. "Dabei ist es hier doch so schön", sagt Evers und zeigt auf die alten Eichen, die seine Terrasse und seinen Rasen von der Straße abschirmen. Nicht ohne Grund sei die Frank'sche Siedlung unter Denkmalschutz gestellt worden.

"Es gab eine hamburgweite Gebührenerhöhung Anfang des Jahres, und diese müssen wir als Bezirk umsetzen", sagt Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD). "Bei den Fällen mit der enormen Preissteigerung ist aber noch ein anderer Faktor hinzugekommen." Denn es gibt zwei verschiedene Kategorien von Sondernutzung, in der Behördensprache nennt sich das Gebührentatbestand. Der eine Tatbestand ist dann gegeben, wenn das betroffene Gelände nicht genutzt wird - dann ist es günstig. Der andere trifft zu, wenn das Grundstück eingefriedet ist, etwa wenn ein Zaun darauf errichtet wurde - dann kostet es deutlich mehr.

Nun wurde 2008 im Bezirksamt Wandsbek ein anderes Fachamt für die Sondernutzung zuständig, und dabei fiel auf, dass zahlreiche Sondernutzungsverhältnisse der falschen, günstigeren Kategorie zugeordnet waren. "Die Leute hatten also eher Glück, dass sie über Jahre weniger bezahlt haben, als sie eigentlich hätten zahlen müssen", sagt Ritzenhoff. Aus Personalmangel waren diese Fälle jahrelang übersehen worden und müssen nun auf den aktuellen Stand gebracht werden. Noch immer gibt es Hunderte Fälle, die überprüft werden müssen.