Volker Nickel, 68, Sprecher des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) und des Werberats

Hamburger Abendblatt:

1. Gesundheitsbezogene Werbung bei Lebensmitteln erlaubt die EU nur, wenn die Versprechen wissenschaftlich belegt sind. Brauchen Verbraucher diesen Schutz?

Volker Nickel:

Gesundheitsbezogene Aussagen sind in der Werbung für Lebensmittel nur noch möglich, wenn ein wissenschaftliches Gutachten nachgewiesen und akzeptiert wird. Das allein kostet schon sechsstellige Summen. Hinzu kommt ein langwieriges Genehmigungsverfahren im Behördendschungel. Große Konzerne können das verkraften, aber Mittelständler kann das vom Markt vertreiben.

2. Wird der Verbraucher durch Werbeversprechen, dass ein Joghurt die Abwehrkräfte aktiviert, nicht doch getäuscht?

Nickel:

In Brüssel gehen die Bürokraten von der irrigen Vorstellung aus, dass der Verbraucher so unmündig ist. Doch mit der Lebensrealität hat das nichts zu tun. Der Verbraucher muss nicht unter einer Glocke geschützt werden.

3. Bedeuten die EU-Vorgaben das Aus für witzige und kreative Werbesprüche?

Nickel:

Das befürchten wir. Das Kreative wird immer mehr unmöglich gemacht, nicht nur bei Lebensmitteln, bei denen die Werbung zum Beipackzettel wird. Immer engere Vorschriften machen die Werbung farblos.

4. Braucht die Werbebranche gesetzliche Beschränkungen, weil sie sonst ihre Freiheiten und Möglichkeiten missbraucht?

Nickel:

In keinem Zweig der öffentlichen Kommunikation gibt es so viel Beschränkungen. Laut Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist irreführende Werbung sowieso verboten. Wer die Unwahrheit sagt, kann zwei Jahre ins Gefängnis kommen. Das gibt es in keinem anderen Kommunikationsbereich. Denken Sie nur an Wahlwerbung, für die das natürlich nicht gilt. Dazu kommen Spezialvorschriften bei Heilmitteln und Lebensmitteln. Und Verbraucherorganisationen und Werbewirtschaft schauen sich gegenseitig auf die Finger, damit niemand über die Stränge schlägt. Obendrein wacht der Werberat als Dachverband über die Branche. Hier können sich Verbraucher beschweren, selbst wenn die Werbung rechtlich einwandfrei ist. Wir haben ein umfassendes System der Kontrolle, das man nicht weiter ausbauen muss.

5. Könnten wir nicht doch im Zweifelsfall auf Werbung verzichten?

Nickel:

Nein, ohne Werbung funktioniert ein marktwirtschaftliches System überhaupt nicht. Wir alle brauchen im Wettbewerb die Werbung als Orientierung. Markt, Volkswirtschaft und die Verbraucher - alle sind auf Werbung angewiesen.