In Glaubenskriegen versagen Argumente.Und so wird es wohl auch um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 keine friedliche und einvernehmliche Lösung zwischen Bahn, Projektgegnern und Befürwortern geben.

In Glaubenskriegen versagen Argumente. Und so wird es wohl auch um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 keine friedliche und einvernehmliche Lösung zwischen Bahn, Projektgegnern und Befürwortern geben. Denn der Streit um die Tieferlegung der Station hat selbst schon unterirdische Züge angenommen. Längst geht es nicht mehr um ein Verkehrsprojekt, sondern um den Glauben an die eigene moralische Überlegenheit und auch um schlichte Rechthaberei.

Das Gutachten der Schweizer Beratungsfirma SMA wird als ungültig diskreditiert, und die Projektgegner wollen an dessen Veröffentlichung schon nicht mehr teilnehmen. Die Grünen lamentieren, dass der Stresstest technisch vielleicht bestanden sei, die Fahrgäste aber nicht den optimalen Nutzen hätten und die Kosten aus dem Ruder laufen würden. Die Linke wirft der SMA gleich ein Gefälligkeitsgutachten vor, weil die Firma schon oft für die Bahn gearbeitet habe.

Wäre aber etwa ein Gutachter besser, der sich noch nie mit Projekten der Bahn befasst hat? Sollen die Ingenieure und Controller aus dem Hause Grube alles Trottel und Schwindler sein und nur die aufgeregten Gegner recht haben? Warum ketten sich hauptberufliche Parkschützer an Bäume, wo doch nach Fertigstellung des Projekts mehr und nicht weniger Grün Stuttgarts Innenstadt zieren würde?

Weil es eben nicht nur um einen Bahnhof, sondern gegen den Staat geht, gegen vermeintliche Bevormundung und angebliche Ohnmacht. Weil sich Wutbürger, die keine Lust mehr haben, sich in Parteien oder anderen Organisationen zu engagieren, anders ausleben wollen. Weil der frühere CDU-Ministerpräsident Mappus mit dem aufkommenden Unmut ungeschickt umgegangen ist und ihm durch einen rabiaten Polizeieinsatz erst noch richtig Schwung verliehen hat. Und weil sich irrationale Ängste über die Folgen eines Tunnelbaus mit einer prinzipiellen Dagegenhaltung paaren.

In dieser Situation glaubt man keinen Gutachtern mehr, sondern folgt blind seinen Überzeugungen. Die Grünen, die auch dank der Anti-Stuttgart-21-Bewegung die Wahl im Südwesten gewonnen haben, werden noch viel Spaß beim Regieren haben. Denn sie sind nun dafür verantwortlich, dass Recht und Gesetz zur Geltung verholfen wird und dass das Problem wieder auf eine rationale Ebene gelangt. Das ist mehr als ein Stresstest, das ist die Ankunft in der Realität.