Claudia Sewig stellt jede Woche Hagenbecks Tiere vor

Stellingen. Man kann an vieles bei seinem Anblick denken: an die fantasievolle Formenvielfalt der Natur etwa. Oder, mit einem leichten Schaudern, auch an seine Giftigkeit. Nur auf den Gedanken, der Dr. Guido Westhoff bei Red, dem Rotfeuerfisch, durch den Kopf schießt, kommt man höchstens als passionierter Aquarianer: dass der Fisch eine strikte Diät braucht. Und genau auf die hat ihn der Leiter von Hagenbecks Tropen-Aquarium dann auch gesetzt.

"Das Problem ist: Unsere Feuerfische fressen einfach zu gerne", sagt Westhoff. Neben vier Rotfeuerfischen beherbergt der Hamburger Tierpark auch zwei Antennen- und zwei Strahlenfeuerfische. Bisher wurden diese mit Garnelen, Tintenfisch-, Schollen- und Makrelenstücken gefüttert. Doch derzeit gäbe es nur noch Garnelen, und davon auch kleinere Portionen, sagt Westhoff. Denn Red und seine Kollegen seien einfach zu dick geworden.

Bei den Rotfeuerfischen fällt die Gewichtszunahme besonders auf; sie sind aber auch generell die größten Feuerfisch-Vertreter: Bis zu 38 Zentimeter Länge können die auffälligen Tiere erreichen. Pazifische Rotfeuerfische, so ihr vollständiger Name, leben im Pazifischen Ozean zwischen Malaysia und Japan. Dort besiedeln sie Lagunen und Außenriffe. Bei Hagenbeck findet sich der Nachbau eines solchen kurz vor dem großen Hai-Atoll, und neben den drei Feuerfischarten leben hier noch Fuchsgesichter, Husarenfische, Falterfische und zwei Langusten. Letztere sollen auf absehbare Zeit ein neues Quartier bekommen. Westhoff: "Ich würde gerne Seeschlangen in dem Becken halten - doch die letzten wurden von den Langusten gefressen." Das Risiko wolle er kein zweites Mal eingehen.

Apropos Risiko: Wie gefährlich sind die giftigen Feuerfische für Menschen? "Feuerfische haben ein sehr schmerzhaftes Gift, das allerdings als reines Verteidigungsgift angelegt ist und nicht als Jagdgift, wie etwa das der Schlangen", sagt Westhoff. Deshalb würde das Gift zwar starke Schmerzen an der Stichstelle auslösen, gegebenenfalls auch an der gesamten Extremität, jedoch weder Nerven noch Gewebe schädigen. Westhoff: "Und da Red und seine Artgenossen zwar neugierig, aber überhaupt nicht aggressiv im Verhalten sind, müssen wir auch beim Tauchen im Becken keine speziellen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen - außer darauf aufzupassen, dass wir nicht auf einen der Fische drauffassen oder drauftreten." Denn im Weg herumzusitzen ist ein großer Sport bei Familie Feuerfisch.

Dass sie die Tiere überhaupt mit einem Gift verteidigen müssen, das sich in einem Sekret auf den großen Hartstacheln der ersten Rückenflosse befindet, hängt mit ihrer langsamen Lebensweise zusammen. "Durch ihre großen, auffälligen Flossen sind sie nur recht langsame Schwimmer", sagt Westhoff. Und wenn Abhauen deshalb flachfällt, kommt als Strategie nur noch Verteidigung infrage - und Tarnung. Diese gelingt den nachtaktiven Fischen ebenfalls sehr gut: Durch ihre fächerförmigen Brustflossen, der rötlich-bräunlichen Bänderungen auf hellem Grund und den langen Stacheln lösen sich ihre Konturen - rein optisch - zwischen Korallen äußerst gut auf.

Von den langen Stacheln, die ein wenig an Fackeln erinnern, soll auch der Name Feuerfisch kommen, so eine der Erklärungen. "Andere Quellen sagen, dass die Fische so heißen, weil ihr Gift wie Feuer brennt", sagt Westhoff. So oder so: Der sechsjährige Red ist nach einem der bekanntesten Feuerwehrmänner überhaupt benannt, dem Amerikaner Paul Neal "Red" Adair.

Bleibt zu hoffen, dass dieser sich anders ernährte als die Rotfeuerfische: Die nacht- und dämmerungsaktiven Jäger streifen über den sandigen Meeresboden und scheuchen dabei Krebse, Tintenfische oder kleine Fische auf, indem sie ihre Brustflossen wie einen Trichter nach vorne richten. Bewegt sich etwas darin, saugen sie ihre Beute durch plötzliches Aufreißen des Mundes regelrecht ein, was in der Fachsprache als Saugschnappen bezeichnet wird.

Damit ist jetzt aber vorerst Schluss, jedenfalls im großen Stil. Bis Red wieder Idealgewicht hat.

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