Achim Tiffe, 43, ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen Hamburg

Hamburger Abendblatt:

1. 30 Millionen Verbraucher in der EU haben keine Bankverbindung. Wie leben Menschen ohne ein Girokonto?

Achim Tiffe:

Menschen ohne Girokonto haben Probleme, ihre Miete, Strom und Wasser zu bezahlen. Jede einzelne Bareinzahlung auf ein fremdes Girokonto kostet je nach Anbieter fünf bis 15 Euro. Auch die Suche nach einem Arbeitsplatz ist ohne Konto oft erfolglos.

2. Die deutschen Banken sind 1995 eine Selbstverpflichtung eingegangen, um jeden ein Konto anzubieten. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Tiffe:

Unser jährlicher Überschuldungsreport zeigt, dass 18 Prozent der Überschuldeten in Deutschland, die eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchen, kein eigenes Girokonto haben. Den Banken ist es aber gelungen, eine gesetzliche Regelung zu verhindern.

3. Wollen die Banken jetzt ihr teures P-Konto als Alternative durchsetzen?

Tiffe:

Die Regierung hat versucht, über das neue Pfändungsschutzkonto (P-Konto) eine gesetzliche Lösung für das Problem zu schaffen, dass Girokonten durch Pfändungen blockiert sind. Das Gesetz nutzen einige Banken und Sparkassen nun auch aus und verlangen bis zu 30 Euro pro Monat für ein Girokonto. Es ist daher nicht zu erwarten, dass mit dem P-Konto das Problem der Kontolosigkeit gelöst werden kann.

4. Wie bewerten Sie den Vorschlag der Kommission der Europäischen Union?

Tiffe:

Es ist gut, dass die EU-Kommission ein Girokonto für alle zu angemessenen Kosten bei Banken und Sparkassen einfordert. Auch dass sie Mindestanforderungen klar benennt, ist positiv. Leider haben wir mit derartigen Ankündigungen und der Drohung einer gesetzlichen Regelung schlechte Erfahrungen in Deutschland gemacht. Ich glaube kaum, dass die Banken und Sparkassen davon beeindruckt sind, und hoffe, dass die Kommission sich nicht ebenfalls 15 Jahre Zeit mit einer gesetzlichen Regelung lässt.

5. Welche Forderungen haben Verbraucherschützer an die Banken und an die Politik?

Tiffe:

Wir müssen diskutieren, welche Basisprodukte Verbraucher benötigen. Dabei ist das Girokonto ein Schlüsselelement. Gesetzlich geregelt werden muss nicht nur der Anspruch auf ein Girokonto, sondern auch das Preisgefüge - nicht teurer als ein übliches Konto - und das Leistungsspektrum wie Nutzung von Geldautomaten, Onlinebanking und bargeldloser Zahlung. Dies geht auch ohne Krediteinräumung, man muss hier nur Lösungen auch wollen. Wir dürfen nicht einen Teil der Gesellschaft ausschließen und ihr den Wiedereintritt in ein normales Leben erschweren.