Eine Glosse von Tobias Lentzler

Entgeisterte Gesichter. "Wie - du hast kein Facebook?", fragte mich eine Gruppe von Leuten, die ich bei einem Konzert getroffen hatte. Wie ich dann über die Welt informiert sein wolle, fragten sie. Ich läse Zeitung, erwiderte ich. Kopfschütteln. Ob das dem Zeitunglesen oder der Facebook-Abstinenz galt, blieb unklar.

Ich bin 17 Jahre alt und natürlich habe ich mir Facebook angeschaut und hatte sogar für ein paar Wochen ein Konto - man will ja mitreden können. Schnell nervte diese Überkommunikation aber mehr, als dass sie erfreute. Irgendwann habe ich mein Konto geschlossen. Ich stellte fest, dass die geistreichen oder freundschaftlichen Gespräche immer noch besser bei einer Tasse Kaffee und von Angesicht zu Angesicht geführt werden können.

Freunde von mir sind selbst in der Schule ständig online und schreiben auf die Pinnwände anderer. Begegnen sie diesen in der Schule, sprechen sie kein Wort miteinander.

Ich verweigere mich dem Online-Netzwerk aus Überzeugung, denn solange ich dabei war, waren mir plötzlich die Namen von Personen geläufig, mit denen ich nie ein Wort gewechselt hatte - deren Gesichter ich aber von Facebook kannte. Das hat mir Angst gemacht. Und offensichtlich bin ich nicht der Einzige: In den USA hat das begonnen, was in Deutschland möglicherweise nur eine Frage der Zeit ist, der Rückzug von Facebook. Die Dienste "Inside Facebook" und "Facebakers" melden beide, dass die Zahlen der Facebook-Nutzer in Amerika zurückgingen, vor allem bei der Gruppe der 18- bis 44-Jährigen. Im Juli kamen in den USA lediglich 320 000 neue Konten hinzu - im Mai waren es noch 7,8 Millionen.

Der Rückzug braucht Pioniere. Pioniere wie mich.