Der Versorgungszug im Röntgentunnel von Desy rollt Tag und Nacht, vier mal stündlich. “An Schlaf ist kaum noch zu denken“, beklagen Anwohner.

Osdorf. Für zehn Sekunden erwacht das Wohnzimmer zum Leben: Es dröhnt aus dem Boden, Scheiben vibrieren, die Vitrine summt. Obwohl in Osdorf keine U-Bahn verkehrt, klingt es, als hätte Rainer Stegert die Gleise unter seinem Wohnzimmer. "Das ist die Tunnelbahn von Desy", sagt Stegert. "Tag und Nacht geht das so. An Schlaf ist kaum noch zu denken."

Desy, das Deutsche Elektronen Synchotron, lässt seit knapp einem Jahr für seinen "European XFEL"-Röntgenlaser das Erdreich zwischen Schenefeld und Bahrenfeld durchbohren. In sechs bis 38 Meter Tiefe gräbt sich eine Maschine 3,4 Kilometer lang Richtung Hamburg, was nicht ohne Folgen blieb. Während der Arbeiten sackte bereits zweimal Erdreich über dem Schacht ab. "Aber zum Dauerärgernis hat sich die im Tunnel verkehrende Bahn entwickelt", sagt Rainer Stegert, Mitglied in der Siedlergemeinschaft Osdorf Mitte. Lärm und Vibrationen störten viele Hauseigentümer und Mieter in Osdorf. Seit Februar verkehrt diese Versorgungsbahn unter seinem Haus.

Sie schafft Abraum hinaus und neue Bauelemente in den Tunnel. Zwei- bis viermal pro Stunde rattert die Diesellok mit einigen Waggons in 25 Meter Tiefe unter dem Grundstück des Osdorfers hindurch. Und zwar rund um die Uhr. "Gerade nachts kann man kein Auge zumachen", sagt Stegert. Er finde nur noch mit Ohropax zur Ruhe.

"Wir haben auch schon an Desy geschrieben", pflichtet ihm sein Nachbar Rolf Hartung bei. "Aber bislang steht eine Antwort aus." Insgesamt seien sie unzufrieden mit der Informationspolitik des Forschungszentrums. "Denn vorher war nie die Rede von einer Tunnelbahn", sagt Rainer Stegert. Vor allem nicht von einem Tag- und Nachtbetrieb. Damals habe es nur geheißen, dass es drei bis vier Tage etwas dröhnen könne, wenn der Bohrer kommt. Doch nun dröhnt es zwei bis viermal pro Stunde.

"Wenn die Bahn bis 1 Uhr fahren würde oder einige geräuschdämmende Vorkehrungen getroffen worden wären, wäre das ein Kompromiss", sagt Anwohner Stegert. Aber von Desy gebe es kein Entgegenkommen.

"Wir haben Verständnis für die Sorgen der Anwohner und nehmen sie ernst", sagt Petra Folkerts, Sprecherin des XFEL-Projekts. "Gerade weil Schlaf und Lärm sehr subjektiv wahrgenommen werden." Sie wisse, dass es mitunter laut werde, aber am Gleisbett nachzubessern, würde laut Fachleuten einen "ungerechtfertigt hohen technischen Aufwand" bedeuten. "Die Bahn wird voraussichtlich noch bis Mitte September rollen", sagt Folkerts. Das sei nötig, um weitere Infrastruktur in den Tunnel schaffen zu können.

Im Übrigen habe man allen Anwohnern eine zusätzliche Geräuschmessung angeboten, um die Grenzwerte zu prüfen. 50 Dezibel seien tagsüber laut Plan zulässig, 35 nachts.

"Von der zusätzlichen Messung höre ich heute zum ersten Mal", sagt Rainer Stegert. "Es ist auch nicht so, dass wir dem technischen Fortschritt der Röntgenlaseranlage im Wege stehen wollen", sagt Nachbar Hartung. "Aber etwas mehr Information, ein wenig Entgegenkommen und Offenheit würden wir uns wünschen."