Eine Glosse von Geneviève Wood

Ein Phänomen in den Sommerferien sind bekanntermaßen die freien Parkplätze in den innerstädtischen Quartieren, weil der Rest der Straße mit seinen schulpflichtigen Kindern im Urlaub weilt. Und selbst diejenigen, die in diesen Wochen in Hamburg bleiben und arbeiten, fühlen sich fast, als seien sie in den Ferien. Das liegt dann nicht an den freien Parkplätzen, sondern am fehlenden Chef. Denn: Ist der Bestimmer im Urlaub, lässt es sich häufig sorgloser arbeiten.

Den Beweis liefert der Getränkehändler des Vertrauens. Man erlebt den Mitarbeiter dort ungewohnt locker und fröhlich. Er nimmt nicht länger in gebückter Haltung die leeren Pfandflaschen entgegen. Stattdessen erscheint er durch seine aufrechte Haltung auf einmal viel größer.

"Mein Chef ist im Urlaub!", sagt er und lacht. Diese anscheinend ungewohnte Freiheit macht ihn geradezu übermütig: "Ich gebe jetzt jedem Kunden 20 Prozent Rabatt", sagt er noch. Ist schon verlockend, so ein Machtvakuum. Wie damals zu Teenagerzeiten, wenn die Eltern allein in den Urlaub gefahren sind.

Und dann gibt es noch das Beispiel der Sekretärin, die immer so zickig ist und ihre Kollegen zu verachten scheint. Bis die Chefsekretärin im Urlaub ist und die Sekretärin zur Überraschung aller mit Schokolade ins Büro kommt. Kranken Kollegen schickt sie plötzlich aufmunternde E-Mails nach Hause.

Schade eigentlich, dass die Chef-freie Zeit einmal ein Ende hat.

Teenies beseitigen die Spuren der letzten Party kurz vor der Rückkehr ihrer "Chefs". Der Mitarbeiter des Getränkehändlers hoffentlich auch.