Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Weil Tennis zwei Jahrzehnte lang ein Premium-Produkt in Deutschland war, zu Höchstpreisen gehandelt und vermarktet wurde, mutet es wahrlich revolutionär an, dass Turnierdirektor Michael Stich jetzt die Türen zu den zwei Nebenplätzen am Rothenbaum öffnet, ohne Eintritt zu verlangen. Tennis for free - das gab es bei einem Weltklasse-Turnier noch nie.

Wer neues Publikum gewinnen will, weil das alte verloren gegangen ist, muss wohl solche Schritte gehen. Stich und sein Geschäftspartner Detlef Hammer beweisen damit Kreativität wie Mut. Die Idee könnte schließlich als Bankrotterklärung aller bisherigen Bemühungen, die Veranstaltung zu retten, missverstanden werden. Die Maßnahme passt andererseits in den Hamburger Sportsommer, der seine Faszination beim Marathon (22. Mai), dem Triathlon (dieses Wochenende) und den Cyclassics (21. August) gerade aus der massenhaften Begeisterung der - nicht zahlenden - Zuschauer zieht. Der Sport lebt nun mal von dieser leidenschaftlichen Beziehung. Sie drohte dem Tennisturnier am Rothenbaum in den vergangenen Jahren abhandenzukommen.

Die Rahmenbedingungen für das mit einer Million Euro weiter am besten dotierte deutsche Turnier bleiben trotz aller ehrenwerten Bemühungen Stichs schwierig. Nur ein Spieler der Top Ten schlägt nächste Woche in Hamburg auf, weil in dieser Phase der Saison eher Hart- statt Sandplätze angesagt sind und am Rothenbaum keine Antrittsgelder gezahlt werden. Und: Die derzeit interessantesten deutschen Profis sind alle weiblich. Stichs Stehvermögen könnte also zu spät kommen. Die Fehler wurden (wie überall) in den guten Zeiten gemacht, als Tennis noch viel Geld kostete.