Der Hamburger Dr. Manfred Schwarz, 65, ist Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer

1. Hamburger Abendblatt: Der Russe Alexander Kolobnew ist bei der Tour de France des Dopings überführt worden. Hat der Radsport aus seinen Skandalen nichts gelernt?

Manfred Schwarz: Ein Dopingfall zeigt zunächst einmal, dass die Veranstalter den Kampf gegen Doping ernst nehmen. Das gilt auch für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Als erster olympischer Fachverband haben wir auch das "Ergebnismanagement" der Nationalen Antidoping-Agentur Nada übertragen: Bei Dopingverstößen ist nun die Nada "Herr des Verfahrens" - von der Anhörung bis zur Verfahrenseinleitung.

2. Der Fall des Toursiegers Alberto Contador, der 2010 positiv getestet wurde und weiterfahren darf, scheint bezeichnend für die halbherzigen Anstrengungen des Radsports.

Schwarz: Der Fall wird in der Öffentlichkeit zum Teil zu Unrecht als Skandal gewertet. Wenn der internationale Sportgerichtshof CAS erklärt, man wolle die Causa Contador erst nach der Tour entscheiden, entsteht ein negativer Eindruck. Man muss jedoch sagen, dass diese Verschiebung vom Weltradsportverband UCI kritisch gesehen wird. Die Verschiebung konterkariert unsere Bemühungen, für einen sauberen Radsport zu sorgen. Unsere Maßnahmen werden ad absurdum geführt, wenn andernorts Entscheidungen auf die lange Bank geschoben werden.

3. Seitdem die deutschen Radfahrer offenbar sauber sind, fahren sie hinterher. Ist das der Preis?

Schwarz: Wir haben derzeit zehn, zwölf hoch talentierte Fahrer, die international große Erfolge erzielen. Tour-Direktor Christian Prudhomme spricht schon von einer "neuen deutschen Radsportwelle". Es ist aber richtig, dass in wohl keinem Land derart systematisch auch außerhalb der Rennen kontrolliert wird wie in Deutschland. Die Nada hat dem BDR bescheinigt, dass der Radsport - zusammen mit der Leichtathletik - im Bereich der Urin- und Blutkontrollen eine Vorreiterrolle übernommen hat. Wir haben inzwischen ein facettenreiches Kontrollsystem - und erzielen gleichzeitig große sportliche Erfolge. Das wird in den deutschen Medien aber nicht gewürdigt.

4. Dennoch erfreuen sich die Jedermann-Rennen bei den Cyclassics großer Nachfrage.

Schwarz: Radsport ist ein idealer Lifetime- und Gesundheitssport, den man bis ins Alter ausüben kann. Und er ist über den Verkauf von Fahrrädern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

5. Können Sie Eltern garantieren, dass ihr Kind in Hamburger Radsportvereinen nicht mit Dopingmitteln in Berührung kommt?

Schwarz: Der Hamburger Radsport ist sauber. Garantieren kann man im Leben allerdings fast nichts.