Europa trudelt in die Pleite - die USA schlittern hinterher

In der Antike war es üblich, den Überbringer schlechter Nachrichten zu köpfen. Vielleicht liegt es an diesem griechischen Erbe, dass europäische Politiker in der Eurokrise sich dieser Tradition erinnern. Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding forderte nun in der "Welt" die Zerschlagung der drei Rating-Agenturen. "Europa darf sich nicht von drei US-Privatunternehmen kaputtmachen lassen." Schuld sind eben immer die anderen.

In diesen Tagen auf den Rating-Agenturen herumzuhacken ist populär. Schließlich sind es die Institute, die die Bonität von Schuldnern bewerten und deren Urteil milliardenschwer ist. Senken die Agenturen den Daumen, wird es etwa für Staaten schwieriger und teurer, Geld aufzunehmen. Genau das passiert derzeit fast im Wochentakt - die Griechen waren die Ersten, dann folgten Irland und Portugal. Nun geht die Angst um, dass Italien der nächste Pleitekandidat ist.

Es ist aber nicht die Schuld der Rating-Agenturen, dass die Südeuropäer in den vergangenen Jahren die niedrigen Zinssätze für übertriebene Ausgabenprogramme missbraucht haben. Und es ist auch nicht die Schuld der Rating-Agenturen, dass es ausgerechnet die Deutschen und Franzosen waren, die 2004 verhindert hatten, Schuldensünder im Euro-Raum sofort empfindlich zu bestrafen.

Nein, die Kritik an den Agenturen ist ein klassisches Ablenkungsmanöver: Die europäische Politik streitet, laviert und lamentiert, sie ist aber nicht Herr des Handelns. Die Politik ist vielmehr längst Getriebene der Märkte. Und die Finanzmärkte erzwingen immer teurere Hilfspakete, Notmaßnahmen und Rettungsschirme. Nun könnte der 750-Milliarden-Schirm auf 1,5 Billionen Euro ausgeweitet werden. Man mag sich so Zeit erkaufen und den Druck etwas lindern, langfristig wird eine Rettung der Schuldenstaaten aber nur teurer und unwahrscheinlicher. Denn schlechtem Geld werfen die europäischen Staaten - und damit die Steuerzahler - noch gutes hinterher. Es drängt sich die Frage auf, wer eines Tages eigentlich die Retter noch retten soll?

Problemverschärfend kommt hinzu, dass die vermeintlich europäische Krankheit eine internationale Seuche ist. Die Staatsdefizite in den USA, Großbritannien oder Japan erinnern an Griechenland. Nach der Lehman-Pleite versprachen die G20-Staaten pathetisch eine neue Weltordnung. Wenn diese nicht bald geschaffen wird, könnten Staatspleiten die Welt in eine neue Unordnung stürzen.