Eine Glosse von Christopher Beschnitt

Regelmäßig werde ich zum Ketzer. Regelmäßig einmal im Jahr. Wenn meine Eltern zu Besuch kommen.

Einmal im Jahr begeben sie sich auf die weite Reise vom Sauerland bis an die Nordsee. Seit ich denken kann. Früher auch mit mir im Gepäck. Was dazu geführt hat, dass ich heute an die 87 Wattvogel-Arten blind voneinander unterscheiden, aber keine zwei Sekunden wackelfrei auf Skiern stehen kann. Und dass ich Wecker hasse.

Denn in den Urlaub fahren, das müssen meine Eltern immer in aller Herrgottsfrühe. Ach was: mitten in der Nacht. Gegen 3 Uhr morgens. Am besten noch einen Tick früher. "Man weiß ja nie." (Ja, was eigentlich? Ob nicht bis um 7 Uhr alle Fischbrötchen ausverkauft sind?!) Mittlerweile verreise ich zwar nicht mehr mit meinen Eltern. Früh aufstehen muss ich trotzdem. Mama und Papa biegen nämlich bei jedem Trip hinterm Elbtunnel ab in Richtung Hamburg-Innenstadt. Spätestens um 6 Uhr morgens klingeln sie bei mir. Und verkünden fröhlich mit der Brötchentüte in der Hand: "Früüühstück!"

Das ist der Moment, in dem ich gedanklich den Aufstand gegen das vierte Gebot (Du sollst Vater und Mutter ehren) probe. Da hilft auch keine noch so katholische Erziehung. Dieser Moment ist einfach zu weit vom freiwilligen Aufstehen entfernt.

Nun, bis dato ist es stets bei der Revolte im Kopf geblieben. So wird's wohl auch heute sein. Wenn meine Eltern mit dem Sonnenaufgang auf der Matte stehen. Wenn ich sie wieder verabschiede, ihnen einen tollen Urlaub wünsche. Und dann zurück ins Bett husche. Wer schläft, sündigt schließlich nicht.