Ex-Umweltsenator Fritz Vahrenholt, 62, ist Vorstandschef von RWE Innogy

Hamburger Abendblatt: 1. Sollte der Bundestag heute das CCS-Gesetz zur unterirdischen Kohlendioxid-Speicherung beschließen?

Fritz Vahrenholt: Ja, das wird er wohl, aber es ist ein Gesetz ohne Wirkung. Grund ist die "Ländervetoklausel". In einer Frage von nationalem energiepolitischen Interesse darf es eine solche Klausel nicht geben. Das Thema ist politisch tot, kein Land wird sich an diese Aufgabe heranwagen. Bundestag und Bundesländer werden ihrer energiepolitischen Verantwortung nicht gerecht. Eine Energiewende in Deutschland - und allemal in der Welt - kann ohne CO2-Abscheidung nicht gelingen - zumindest nicht, wenn wir die globalen Klimaziele ernst nehmen.

2. Ist es nicht eher so, dass die Politiker auf die Gefahren der CO2-Lagerung hingewiesen haben?

Vahrenholt: Die Grünen haben das CO2 als Giftgas gebrandmarkt, aber das ist falsch. Wir akzeptieren doch auch aus guten Gründen Erdgasspeicher. Und CO2-Speicher sind nicht problematischer, eher im Gegenteil. Da gab es viel Nichtwissen und Fehlinformation.

3. Wer profitiert, wenn man Treibhausgase unter die Erde presst?

Vahrenholt: Wir alle, vor allem das Klima. Die Kohle - die einzige Energiequelle, die wir hierzulande in ausreichendem Maße besitzen - würde zu einer umweltfreundlichen Energiequelle, der Strompreis könnte stabil bleiben, und wir könnten den Chinesen zeigen, wie sie ihre unzähligen Kraftwerke, übrigens mit hier entwickelter Technik, sauberer machen können.

4. Wäre es nicht viel sinnvoller, komplett auf Kohle zu verzichten?

Vahrenholt: Das sehe ich auf lange Sicht nicht, vor allem nicht weltweit. Ein Großteil unserer Energie wird aus Kohle oder Gas gewonnen. Nachdem wir aus der Kernenergie ausgestiegen sind, können wir nicht auch noch auf die Kohle verzichten. Sonne und Wind können diese Lücke nicht zuverlässig über das ganze Jahr auffüllen. Unsere Industrie braucht eine sichere Versorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Das geht weit über Kupfer-, Stahl- und Aluminiumindustrie hinaus. Denn 70 Prozent unseres Stroms geht in Industrie und Gewerbe und dient unseren Arbeitsplätzen. Und wer allein auf Gas setzt, der erhöht weiter unsere Abhängigkeit von Energieimporten. Daran kann niemandem gelegen sein.

5. Aber letztlich vertagt man das Problem mit den Treibhausgasen doch bloß.

Vahrenholt: Aber genau das brauchen wir doch! Und wenn wir nur 50 Jahre Aufschub bekommen: Wir benötigen Zeit, um herauszufinden, was wir noch aus dem CO2 machen können. Irgendwann wird man es wiederverwerten können. Daran arbeiten wir schon.