Bei Ihlenfeldt & Berkefeld fertigen 16 Mitarbeiter Miniaturen von Containerfrachtern, Kreuzfahrtschiffen oder U-Booten.

Hamburg. Ganz vorsichtig setzt Julia Maracke ihren Bohrer auf dem Deck der "Ibn Battuta" an. Der Blick der Feinwerkmechanikerin wandert kurz zu einem Originalfoto des Schwimmbaggers, dann hat die 20-Jährige den richtigen Platz für die winzige Positionslampe in ihrer Hand gefunden. Ein Klecks Sekundenkleber - und ein weiteres Teil des Modells befindet sich an seinem Platz. Noch gut einen Tag haben die 16 Mitarbeiter der Hamburger Firma Ihlenfeldt & Berkefeld Zeit, um das rund 800 Teile große Puzzle in ihrer Werkhalle zu vollenden. Dann muss die "Ibn Battuta", ein sogenannter Schneidkopfbagger, im Maßstab 1:100 fertig sein. Der Kunde, eine belgische Werft, wartet darauf, das Modell zusammen mit dem echten Schiff an eine arabische Reederei übergeben zu können.

"In der Schifffahrt gehört es zum guten Ton, dass neben einem echten Schiff immer auch ein Modell ausgeliefert wird", sagt der Geschäftsführer von Ihlenfeldt & Berkefeld, Udo Scheliga. Daher gibt es in der Hansestadt wohl kaum einen Reeder, der nicht mindestens einen Glaskasten aus Hamburg-Iserbrook in seinem Büro stehen hat. Containerfrachter von Erck Rickmers sind in der Werkstatt ebenso vom Stapel gelaufen wie die Riesen von Konkurrent Claus-Peter Offen. Auch die Aida-Kreuzfahrtschiffe haben die Modellbauer schon auf Miniaturgröße schrumpfen lassen.

Um möglichst originalgetreue Nachbauten zu bekommen, stellen die Werften den Modellbauern oft die echten Baupläne der Schiffe zur Verfügung. Manche Dokumente sind dabei so geheim, dass die Werkstatt zu einem Hochsicherheitsbereich mutiert. "Wenn wir für das Militär ein U-Boot nachbauen, darf ich keine betriebsfremden Personen ins Unternehmen lassen", sagt Scheliga.

Die Geburt eines neuen Modells beginnt stets in der Tischlerei. In schweißtreibender Arbeit schälen Mitarbeiter aus großen Blöcken Lindenholz den Schiffsrumpf heraus, bevor die Feinwerkmechaniker aus Zinn, Messing und Kunststoff Hunderte von Einzelteilen für die Aufbauten fertigen. Dabei können die Modellbauer auf einen enormen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Seit 1913 existiert Ihlenfeldt & Berkefeld bereits, viele Mitarbeiter sind schon 30 Jahre und mehr in der Firma.

In zig Schubladen finden sich Teile, die immer wieder auf den Modellschiffen auftauchen: fingernagelgroße Liegestühle, winzige Beiboote und Steuerräder, so klein wie ein Centstück. "Das ist unsere Schatzkammer", sagt der Chef. Zu den spektakulärsten Aufträgen von Ihlenfeldt & Berkefeld zählte ein fast 3,40 Meter langes Modell des Kreuzfahrtriesen "Freedom of the Seas". "Dafür haben wir auch einen Großteil der Inneneinrichtung nachgebaut", erzählt der Chef. 500 Minipassagiere bevölkerten die Kabinen, Restaurants und Pools des schwimmenden Hotels. Der Preis für so viel Detailliebe: rund 190 000 Euro. Ein einfaches Containerschiff im Maßstab 1:100 kostet hingegen nur rund 20 000 Euro.

Da das Modell der "Freedom of the Seas" eher als der große Kreuzfahrer fertig war, konnte die Werft anhand der kleineren Version sogar ihre eigene Planung überarbeiten. "In den ursprünglichen Plänen war eine Glasbrücke vorgesehen, die im Modell aber viel zu groß wirkte", sagt Scheliga. "Als die Ingenieure das bemerkten, haben sie die echte Brücke umgestaltet", erzählt der Chef nicht ohne Stolz.

Manche Modelle aus der Hamburger Werkstatt sind so detailliert, dass sie zu Übungszwecken eingesetzt werden. So hat Scheligas Team eine Offshore-Bohranlage im Maßstab 1:5 nachgebaut, anhand derer Taucher ihren Einsatz auf dem Meeresgrund probten. In einigen Fällen geben Ingenieure auch Funktionsmodelle von Prototypen in Auftrag, um im Kleinen zu testen, ob die Neuentwicklungen tatsächlich so arbeiten wie geplant. "So etwas kann man nur mit einem Modell, nicht aber mit einer 3-D-Animation machen", sagt der Geschäftsführer.

Aufträge aus der Offshore-Industrie werden für Ihlenfeldt & Berkefeld immer wichtiger. Sie halfen der Firma auch in der Schifffahrtsflaute, die Auftragsrückgänge von Reedern und Werften zumindest teilweise zu kompensieren. "In der Krise ist unser Jahresumsatz von 1,5 Millionen Euro in Spitzenzeiten auf 800 000 Euro zurückgegangen", sagt Scheliga. Mittlerweile habe er sich aber wieder auf gut eine Million Euro erholt.

Konkurrenz muss Ihlenfeldt & Berkefeld kaum fürchten. Außer einem Berliner Wettbewerber gebe es in Deutschland eigentlich niemanden, der über ähnliches Know-how verfüge, sagt der Geschäftsführer. Allerdings bekommen Reeder, die ihre neuen Schiffe in Korea bauen lassen, mittlerweile auch gleich ein Modell aus der dortigen Produktion mitgeliefert. "Solche Modelle bekommen wir oft zur Nachbearbeitung, weil die Qualität zu wünschen übrig lässt", sagt Scheliga. "Das ist dann eher eine undankbare Aufgabe."

Um nicht komplett von der maritimen Wirtschaft abhängig zu sein, ist der Chef ständig auf der Suche nach neuen Auftraggebern. Im Augenblick verhandelt Scheliga gerade über einen Nachbau des Busterminals von Ankara im Maßstab 1:100. "Wir warten täglich auf grünes Licht", sagt er. Auch den Hamburger Flughafen haben Ihlenfeldt & Berkefeld schon nachempfunden.

Der Schwimmbagger "Ibn Battuta" nähert sich derweil immer mehr seiner Fertigstellung. Feinwerkmechaniker Hermann Rau, 53, kümmert sich gerade um die Takelage des Schiffes. Mit einer Pinzette führt er einen Bindfaden vom Bohrkopf am Heck zu einer kleinen Seiltrommel. "Langweilig wird es hier eigentlich nie", sagt der kräftige Mann im Holzfällerhemd, der seit 36 Jahren in dem Betrieb arbeitet. Schon in der nächsten Woche könnte er ein Segelschiff, eine Bohrinsel, eine Windkraftanlage oder einen Schiffsdiesel nachbauen. "Wir müssen uns immer wieder in neue Modelle hineindenken", sagt er. "Das macht die Arbeit so spannend."