Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Es gibt Aufgaben im Leistungssport, die erledigen sich von selbst. Man bereitet sich sorgfältig vor, ist auf den Punkt topfit und bringt die Lorbeeren mit nach Hause, weil alles gepasst hat und die Leistung sowieso stimmt. Die Bürde aber, die in den kommenden drei Wochen auf Fußball-Bundestrainerin Silvia Neid lastet, ist um ein Vielfaches höher.

Von den deutschen Nationalspielerinnen wird bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land nicht weniger erwartet als der Titel. Eine Vizeweltmeisterschaft, die weder Jürgen Klinsmann noch Joachim Löw mit ihren Männerteams je gewonnen haben, oder gar ein dritter Platz, auf die die deutschen Männer seit 2006 abonniert sind, wäre schon eine Enttäuschung. Dass diese WM zudem auch noch ein rauschendes Fußballfest werden muss, das DFB und Fifa einen ordentlichen Batzen Geld und den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ordentliche Einschaltquoten bringen soll, versteht sich von selbst.

Aber man darf Silvia Neid zutrauen, dass die diesem Druck standhält. Dass sie nicht tiefstapelt, sondern die Aufgabe annimmt und den Endspielsieg am 17. Juli als "realistisch" einstuft, spricht für ihr gesundes Selbstbewusstsein. Allenfalls lässt sie vor der Heim-WM ein "größeres Kribbeln" zu. Die 47-Jährige zählte schon als Spielerin zu den Besten der Welt und hat jetzt jenseits des Spielfeldes eine Mannschaft nach ihrer Philosophie geformt. Die Erfolge der DFB-Frauen sind ihre. Wohl auch deshalb hat der DFB den Neid-Vertrag schon vor der WM verlängert.

Die Last, die man liebt, sagt der Franzose, ist nur halb so schwer. Und Silvia Neid liebt definitiv, was sie in den kommenden drei Wochen vollbringen soll.