Robin Meyer-Lucht, 37, ist Medienökonom. Er betreibt das Beratungsinstitut Berlin Institute und findet die Kritik an der “Tagesschau“-App unberechtigt.

Hamburger Abendblatt: Die "Tagesschau" hat eine App, eine besondere Anwendung für Smartphones wie etwa das iPhone, herausgebracht. Wie gefällt sie Ihnen?

Robin Meyer-Lucht: Sie macht einen sehr soliden Eindruck. Mir gefällt besonders die Videoumsetzung.

Die Verlage sind empört über die gebührenfinanzierte "Tagesschau"-App. Sie stört vor allem, dass sie kostenlos ist. Damit mache die ARD den Markt für kostenpflichtige Angebote ihrer Häuser kaputt. Ist diese Kritik berechtigt?

Meyer-Lucht: Die Auswirkungen auf den Wettbewerb dürften gering sein. Private Medienhäuser wie "Focus", N24 oder n-tv bieten ja auch kostenlose Apps an. Was wir brauchen, sind Regeln, die gewährleisten, dass sich die Apps von ARD und ZDF von den Angeboten privater Medienhäuser unterscheiden. In der "Tagesschau"-App gibt es beispielsweise eine Anbindung an Facebook. Ist diese exklusive Zusammenarbeit mit einem privaten Anbieter zu rechfertigen? Ich glaube nicht. Die "Tagesschau"-App ist der Lackmustest für die Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Online-Angebote. Bisher ist es um sie nicht gut bestellt.

Nun sagen die öffentlich-rechtlichen Anstalten, dass sie gemäß der Entwicklungsgarantie, die ihnen das Bundesverfassungsgericht zugesprochen hat, mit ihren Angeboten auch auf neuen Medien wie den Smartphones vertreten sein dürfen. Haben sie damit recht?

Meyer-Lucht: Ja, das haben sie. Natürlich darf es öffentlich-rechtliche Apps geben. Darum geht es aber nicht. Entscheidend ist die Unterscheidbarkeit zu den Angeboten der Privaten.

Ist die "Tagesschau"-App durch den Programmauftrag der ARD gedeckt? Fällt die Versorgung der Nutzer von Smartphones mit öffentlich-rechtlichen Inhalten unter die Sicherung der Grundversorgung?

Meyer-Lucht: Nach dem neuen Rundfunkstaatsvertrag schon. Wir stehen aber vor der Aufgabe zu definieren, was die Öffentlich-Rechtlichen im Internet und auf mobilen Medien genau machen dürfen. Es gibt da nur sehr wenige klar definierte Regeln, wie die, dass ARD und ZDF mobil und online keine fremd eingekauften Inhalte zeigen dürfen. Ärgerlich ist, dass wir bei der "Tagesschau"-App weder eine transparente Kostenstruktur noch einen nachgewiesenen Mehrwert und auch keine Analyse der Marktauswirkungen haben. Für sie gab es kein eigenes Prüfverfahren.

Welche Möglichkeiten haben Verleger, gegen die "Tagesschau"-App vorzugehen? Sollen sie die EU-Kommission anrufen?

Meyer-Lucht: Wir sollten das in Deutschland regeln. Die Frage ist, welches Gericht wäre zuständig. Dies ist nicht eindeutig geregelt.