Reiner Calmund, 62, war Manager von Bayer Leverkusen

Hamburger Abendblatt:

1. Ist die Entscheidung von Bundestrainer Joachim Löw, die Nationalmannschaftskarriere von Kapitän Michael Ballack zu beenden, richtig?

Reiner Calmund:

Vorab muss ich sagen, dass ich hier befangen bin. Michael war mein Spieler zu meiner Zeit als Manager bei Bayer Leverkusen. Ich schätze ihn ungemein. Daher hätte ich mir gewünscht, dass Löw noch ein paar Monate gewartet hätte. Ballack hat schließlich die Chance, sich in der kommenden Saison mit Bayer in der Champions League gegen Top-Teams zu bewähren. Andererseits muss man die Entscheidung respektieren. Löw macht als Bundestrainer einen erstklassigen Job.

2. Ist Michael Ballack mit fast 35 Jahren nicht ohnehin zu alt für die stark verjüngte Nationalmannschaft?

Calmund:

Nein. In der Endphase der vergangenen Saison hat Michael bei Bayer sehr wohl gezeigt, dass er für jede Mannschaft eine Bereicherung sein kann. Aber er muss fit sein. Und natürlich haben die schweren Verletzungen auch in seiner Psyche Spuren hinterlassen. Doch Michael hat einen unglaublichen Kampfgeist.

3. Woran machen Sie diesen fest?

Calmund:

Ich habe es mit Bayer

Leverkusen im Champions-League-Halbfinale gegen Manchester United 2002 erlebt. Michael war angeschlagen und hat sich fit spritzen lassen, obwohl damals sein Wechsel zum FC Bayern München schon feststand. Er hat sich durchgebissen und war nach dem Abpfiff so fertig, dass er völlig ausgepumpt auf dem Kabinenboden lag. Michael ist ein überragender Kämpfer.

4. Dennoch gilt er als Unvollendeter, der wiederholt unglücklich scheiterte.

Calmund:

Diese Diskussion halte ich für unfair. Michael hat mit dem FC Bayern dreimal das Double geholt, auch mit Chelsea ist er Meister und Pokalsieger geworden. Und im Halbfinale bei der WM 2002 hat er sich mit seinem Foul bei dem Sieg gegen Südkorea für sein Team aufgeopfert. Die fällige Sperre hat ihn die Final-Teilnahme gekostet.

5. Wird Michael Ballack noch in einem würdigen Rahmen verabschiedet?

Calmund:

Ich hoffe dies sehr, der DFB plant dies ja auch beim Länderspiel gegen Brasilien im August in Stuttgart. Michael sollte sich jetzt nicht in einen Schmollwinkel zurückziehen, sondern diese Geste annehmen.