Der Hamburger Architekturhistoriker Gert Kähler, 69, lehrte in Braunschweig, Berlin und Aachen

Hamburger Abendblatt:

1. Im neuen Herzstück der HafenCity, im Überseequartier, stehen Büros und Wohnungen leer. Was läuft da schief?

Prof. Gert Kähler:

Ob tatsächlich zu viele Büros, zu wenige Wohnungen oder umgekehrt gebaut werden, hängt stark von der jeweiligen Konjunktur ab und lässt sich in den langfristigen Zyklen des Städtebaus kaum prognostizieren. Wichtiger ist die Vielfalt der Nutzungen, die Mischung.

2. War die Vergabe zur Entwicklung des Überseequartiers an ein einziges Investoren-Konsortium ein Fehler?

Kähler:

Die Vergabe an nur einen Investor entspricht nicht der reinen Lehre des Städtebaus. Nur: Wo ist das bei einem künstlichen Stadtteil von 12 000 Einwohnern in den letzten 50 Jahren gelungen? Man setzt auf das Know-how der Manager von Einkaufszentren, will aber keines bauen. Scheitern oder Gelingen kann man erst beurteilen, wenn die Wohnbevölkerung da ist, also frühestens in zehn Jahren.

3. Immer wieder wird gefordert, in der HafenCity mehr Wohnungen zu bauen. Ist dort wegen der schwierigen Bodenverhältnisse günstiger Wohnraum überhaupt möglich?

Kähler:

Wir haben mit dem "sozialen Wohnungsbau" eine unglaubliche Leistung einer solidarischen Gesellschaft erreicht: Praktisch jede Familie konnte sich eine anständige Wohnung leisten. Das ist heute praktisch abgeschafft. Ohne Subvention über Steuervergünstigungen oder günstige Grundstückspreise aber kostet Wohnungsbau heute zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter Miete, in der HafenCity wegen der Gründungskosten eher mehr. Wir müssen uns als Gesellschaft die Frage stellen, ob wir das subventionieren wollen.

4. Wird wegen vielleicht nur zeitweiser Leerstände in der HafenCity zu viel herumgemäkelt am sonst bewunderten Projekt HafenCity?

Kähler:

Zumindest kann man sagen, dass städtebauliche Projekte dieser Größenordnung nicht kurzfristig bewertet werden können, bevor sie überhaupt fertig sind. Ob die HafenCity ein Erfolg ist, kann man in zehn oder 20 Jahren sagen. Das Problem ist, dass man dann nichts mehr ändern kann.

5. Machen es andere Städte besser, wenn sie alte Hafenareale reaktivieren?

Kähler:

Hamburg hat mit der Entscheidung für die HafenCity vieles richtig gemacht, von der (verhältnismäßigen) Kleinteiligkeit der Projekte über die schrittweise Planung, den Verzicht auf exakte Zeitpläne bis zur Behandlung der öffentlichen Räume. Das wird auch im Ausland positiv gesehen. Ich kenne kein Waterfront-Projekt dieser Größenordnung, das wirklich besser ist - was nicht heißt, dass alles gut ist.