Hans-Jürgen Hoffmann, 58, ist Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Psephos

1. Hamburger Abendblatt:

Die CDU liegt laut Umfrage bei einem historischen Tief von 20 Prozent - wie tief kann die Partei noch fallen, die Hamburg zehn Jahre lang regiert hat?

Hans-Jürgen Hoffmann:

Die CDU in der Hansestadt ist an der unteren Grenze dessen angelangt, was vor dem Hintergrund ihrer sozialstrukturellen Verankerung theoretisch anzusetzen ist. Doch dieser Stammwählerschaft hat die Union in den letzten Jahren ideologisch einiges zugemutet, um zugleich als Großstadtpartei überleben zu können. Die traditionelle Anhängerschaft in diesem Umfeld zu mobilisieren ist ein Problem für die Union, das speziell in Metropolen eher zu- als abnehmen wird.

2. Nach ihrem Wahldebakel mit 21,9 Prozent hat die Union offenbar weiter verloren. Wie kann das in der Opposition passieren?

Hoffmann:

Die CDU hat sich nach dem dramatischen Einbruch in Hamburg personell und inhaltlich noch nicht ausreichend regeneriert. Und für einen klassischen "Oppositionseffekt", der sie beflügeln könnte, ist es offenbar noch zu früh - zumal der SPD-geführte Senat nach Eindruck einer Mehrheit der Wählerschaft bislang (noch) keine gravierenden Fehler begangen hat.

3. Der schwarz-grüne Senat hat Hamburg unbestritten einige Probleme hinterlassen - wann wird die CDU wieder glaubwürdig sein, wenn sie Fehler der Regierung kritisiert?

Hoffmann:

Lange wird sich der neue Senat auf einer Schonfrist unter Verweis auf die vorgefundenen Probleme nicht ausruhen können. Die CDU muss sich schon jetzt intensiv bemühen, im vielstimmigen Chor der Oppositionsfraktionen der Bürgerschaft die politisch-argumentative Meinungsführerschaft zu übernehmen und mit überzeugenden Gegenkonzepten aufzuwarten.

4. Wie wird die CDU in Hamburg wieder Mehrheiten erreichen wie mit Ole von Beust?

Hoffmann:

Absolute (Mandats-)Mehrheiten wie für Ole von Beust 2004 bis 2008 oder jetzt für Olaf Scholz sind im deutschen Wahlgeschehen immer mehr zu einer Ausnahmeerscheinung geworden. Sie sind meist - vergängliches - Resultat sehr beliebter Spitzenkandidaten einer Partei (so etwa auch Kurt Beck in Mainz 2006 bis 2011) und/oder "Zufallsprodukt" einer zunehmend zersplitterten Parteienlandschaft.

5. Die SPD-Regierung kämpft mit ersten Problemen und fährt einen strikten Sparkurs. Wie lange wird der Vertrauensvorschuss halten?

Hoffmann:

Dies ist weniger eine Frage der Zeit als eine Frage der guten Argumente, der Vermittlung des politischen Kurses des Senats. Grundsätzlich haben die Bürger Hamburgs mehr Verständnis für die Notwendigkeit solider Finanzen der Stadt als gemeinhin vermutet.