Ehepaar zeigt gesammelte Erinnerungen an die Stars des niederdeutschen Theaters in einer Sonderausstellung- mit Schwerpunkt Heidi Kabel.

Bergstedt. Was mag das für ein Gefühl gewesen sein unmittelbar nach Kriegsende? Als sich Heidi Kabel - so weit wie seinerzeit möglich - schick machte, ihre schwarzen Tanzschuhe anzog, das Schifferklavier nahm und in den Lokalen am Grindel und auf der Hoheluft plattdeutsches Liedgut vortrug. Um ein bisschen Haushaltsgeld zu verdienen, vor allem jedoch, um Werbung für die Vorstellungen im Ohnsorg-Theater zu machen.

Das Gefühl ist nur zu erahnen, die schwarzen Tanzschuhe indes sind erstaunlich gut erhalten. Sie sind Bestandteile einer Sonderausstellung über die bewegende Geschichte und die Stars des Ohnsorg-Theaters - mit Schwerpunkt Heidi Kabel. Anlass ist der erste Todestag der Volksschauspielerin am Mittwoch. Im Festsaal des Senator-Neumann-Heims in Bergstedt (Heinrich-von-Ohlendorff-Straße 20, 11-16 Uhr), einer Einrichtung für schwerstbehinderte Menschen, sind mehrere Hundert Exponate zu sehen. Dazu zählen Bücher, Programmhefte, Kostüme, Schallplatten, Requisiten, Bühnenfotos, Privates und viel mehr. Zahlreiche Einzelstücke waren bisher nicht bekannt.

Initiatoren der liebevoll organisierten Ausstellung sind die Privatsammler Christiane und Holger Rötting. Seit 20 Jahren tragen die beiden Ohnsorg-Fans alles zusammen, was die Hochzeit des niederdeutschen Theaters in Hamburg dokumentiert - mit erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand. Dazu zählen vier uralte Kameras, mit denen der erste Hausfotograf Rudolph Ohnesorge unvergessene Szenen festhielt. Ein Originalplakat vom Oktober 1955 wirbt für das legendäre Stück "Ein Mann mit Charakter", in dem Heidi Kabel an Walter Scheraus Seite so glänzend zur Geltung kam. Insgesamt besitzen die Röttings 140 Bilderrahmen, in denen die köstlichsten Momente original festgehalten sind. Viele Erinnerungsstücke sind signiert. Andere stammen von den Erben.

"Von Jugend an begeistert uns das Ohnsorg-Theater", sagt Christiane Rötting. Diese Leidenschaft steigerte sich, als sich Ehemann Holger vom natürlichen Charme und dem großen Herzen der Künstlerin überzeugen konnte. Anlass war ein Zufall. Rötting arbeitete als Verkäufer im Haushaltswarengeschäft Bernklau in Nienstedten. Um die Ecke wohnte Stammkundin Heidi Kabel. Im Laden kaufte sie Vogelfutter, Dünger, Auflagen für Gartenmöbel. Man kam immer mehr ins Gespräch, und eines Tages schlug der Ohnsorg-Star vor: "Herr Rötting, eigentlich müssten Sie sofort zu sammeln anfangen."

Und so geschah es. Von Heidi Kabel mit Telefonnummern und Privatadressen ausgestattet, machte sich das Ehepaar Rötting auf die Suche nach Erinnerungsstücken. Im Laufe der Zeit kam Ansehnliches zusammen, auch wenn die beiden Hamburger zwischenzeitlich nach Niebüll zogen. Zum Beispiel Rührschüssel und Löffel, die "Opa" Henry Vahl in "Meister Anecker" so quirlig zum Einsatz brachte. Oder riesengroße Lederstiefel, die Blickfang auf der Bühne waren. Zahlreiche Kostüme wurden erstanden, darunter das goldfarbene Kleid, das Heidi Kabel an ihrem 90. Geburtstag trug. Dieses gute Stück wurde für 300 Euro ersteigert. Heidi Kabels schwarzer Gehstock stammt von der Schauspielerin selbst.

Hinzu kommen diverse Hüte, unter anderem von Hilde Sicks oder Erna Raupach-Petersen. Oder Schuhe, die Helga Feddersen in "Der möblierte Herr" anzog. In Vitrinen sind Stammbücher und Goldschmuck von Erna Raupach-Petersen ausgestellt; daneben liegen die Manschettenknöpfe Henry Vahls. Aber auch private Stücke beeindrucken. So wie eine Schultüte, die Heidi Kabel einst ihrem Enkel schenkte. Oder ein Ölgemälde von Heidi Kabels Haus in Nienstedten. Damit sich auch Blinde und Sehbehinderte einen Eindruck von Heidi Kabel und Henry Vahl machen können, wurden zwei Büsten angefertigt. Zum Ertasten. "Am Ende wurde aus der Sammelleidenschaft Freundschaft", sagt Christiane Rötting. Mehrfach besuchten beide die bereits stark demente Künstlerin in ihrer Stiftung in Othmarschen. Ganz begeistert habe der Star im Ruhestand dann immer noch ihr Lieblingslied gesungen: "In Hamburg sagt man Tschüss!"

Die Ausstellung in Bergstedt soll erst einmal bis Ende Juni und bei Bedarf länger laufen. Der weitere Verbleib der Exponate ist ungeklärt. "Es wäre ein Jammer, sie wieder zu Hause einzulagern", sagt Holger Rötting. Da das Ohnsorg-Theater wohl keinen Platz für eine so umfangreiche Sammlung hat und vonseiten der Kulturbehörde angeblich kein Interesse besteht, wollen die beiden Sammler Kontakt mit dem Altonaer Museum aufnehmen. "Das", so meint das Ehepaar Rötting, "wäre ein besonders würdiger Platz, um wunderschöne Erinnerungen am Leben zu erhalten." Beider Traum ist ein Museum oder Dokumentationszentrum über das Ohnsorg-Theater und seine Stars.