Pastor Hinrich C. G. Westphal, 66, ist Vorsitzender des ökumenischen Vereins “Andere Zeiten - Initiativen zum Kirchenjahr“ in Hamburg

Hamburger Abendblatt:

1. Herr Westphal, an diesem Wochenende ist Pfingsten. Meist fällt den Menschen dazu nicht mehr ein als langes Wochenende und Verreisen. Viele fragen sich auch: Worum geht es bei diesem Kirchenfest eigentlich?

Hinrich C. G. Westphal:

Das erste Pfingsten - das Wort geht auf den altgriechischen Begriff pentekoste zurück, was der 50. Tag bedeutet - geschah 50 Tage nach Ostern in Jerusalem. Da wurde eine Menschenmenge von Gottes Geist erfasst und vom Sturm der Begeisterung mitgerissen. Die Gemeinde wuchs um 3000 Christen. Das war der Geburtstag der Kirche.

2. Und was bedeutet das in einer Metropole wie Hamburg, in der fast die Hälfte der Bürger nichts mehr mit den christlichen Kirchen zu tun hat?

Westphal:

Ich bin überzeugt: Auch in unserer Stadt gibt es Sehnsucht nach einem neuen dynamischen Geist und einer schöpferischen Kraft. Auch hier können Menschen Feuer und Flamme werden und begreifen: Wo von Glaube, Liebe und Hoffnung die Rede ist, da geht es auch um mein Leben.

3. Wie kann die Kirche den Menschen den Sinn von Pfingsten wieder nahebringen?

Westphal:

Sie kann zu schwungvollen Gottesdiensten einladen, und sie will gerade Pfingsten unter freiem Himmel feiern: Tauffeste an Elbe und Alster, ökumenische Gottesdienste im Grünen, Zeltlager für Jugendliche, internationale Feiern. Pfingsten ist ein Fest der Gemeinschaft.

4. Weihnachten gibt es den Christbaum, Ostern die Eier, aber eine vergleichbare Tradition fürs Pfingstfest fehlt. Warum gibt es eigentlich keine Pfingstrituale?

Westphal:

Es gibt Pfingstrosen, Pfingstochsen, Pfingstausflüge, -feuer und -tänze. Wir schmücken Kirchen mit Birkenzweigen und roter Farbe für Feuer und Liebe. Manche lassen Tauben fliegen, andere schwingen Fahnen, drehen Windmühlen als Symbole für Wind und Atem. Pfingsten ist ein Fest für Experimente.

5. Haben Sie Angst, dass im Rahmen von möglichen Sparprogrammen auch der freie Pfingstmontag bald gestrichen wird und das Fest ähnlich in Vergessenheit gerät wie zum Beispiel der Gedenktag Buß- und Bettag?

Westphal:

Dass die Politiker den freien Buß- und Bettag gestrichen haben, war nicht geistreich und im Ergebnis wenig effektiv. Wenn wir alle Feiertage zu Geld machen würden, die wir nicht sinnvoll genug begehen, dann hätten wir bald kein Ostern und kein Weihnachten mehr. Der zweite Pfingsttag bietet große Chancen für Ökumene und Gemeinschaft. Wir werden um ihn kämpfen.