Gemeinsam einkaufen im Netz: Großes Sortiment, kleine Preise. Ebay übernimmt deutschen Anbieter Brands4Friends für 150 Millionen Euro.

Hamburg. Der Kaufrausch beginnt morgens um sieben Uhr. Für andere dreht sich die Welt noch langsam, um das Für und Wider von Camembert oder Nutella fürs Brötchen. Doch Zehntausende meist weibliche Preisjäger sitzen bereits vor dem Rechner. Sie treffen weitaus schwierigere Entscheidungen als die Auswahl des Brotbelags. Lieber den Mantel von Desigual für 74 Euro oder die Kette von Pandora für 14 Euro bestellen? Oder beides, weil's so günstig ist? Hauptsache schnell, sonst sind die Must-haves, die an diesem Morgen im Angebot sind, ausverkauft und die Stimmung am Frühstückstisch schnell im Keller. Der beschriebene Volkssport wird in Shopping-Klubs betrieben. Im Internet, dem virtuellen Einkaufsparadies. Die Klubs heißen BuyVip, Vente Privée oder limango und können sich vor neuen Nutzern kaum retten.

Gut ein Dutzend Klubs kämpfen inzwischen um die Kunden

"Wir haben in den vergangenen Monaten täglich 5000 neue Mitglieder gewonnen", sagt Sven van den Bergh, Geschäftsführer von limango, einem Shopping-Klub, der sich auf Kinderkleidung und Mode für Frauen mit Marken wie Tom Tailor oder Esprit spezialisiert hat. Beim größten deutschen Anbieter, Brands4Friends (Marken für Freunde), sind bundesweit drei Millionen Mitglieder angemeldet. Gut ein Dutzend Klubs kämpfen inzwischen um die Kunden. Und laut einer Studie wissen bereits 70 Prozent aller Internetnutzer, wie deren Konzept funktioniert.

"Immer mehr Leute sind begeistert von Shopping-Klubs, weil sie ein großes Sortiment und mindestens um 40 Prozent günstigere Preise bieten als andere Geschäfte", sagt Christin Schmidt vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels. Bei Brands4Friends gibt es von der Prada-Brille bis zum Motorroller fast alles, was Schnäppchenjäger glücklich machen kann. Auch mal ein Auto oder, pünktlich zum Advent, Weihnachtsbäume mit Rabatt.

Außerdem lockt der exklusive Eindruck, den manche Klubs vermitteln. Häufig darf sich für den virtuellen Schlussverkauf nur anmelden, wer von anderen Mitgliedern in den Klub eingeladen wurde. Die Shopping-Gemeinschaften entfalten mit der harten Tür eine Sogwirkung wie sonst nur angesagte Szenetreffs in den Metropolen. Christin Schmidt: "So wird Einkaufen zum VIP-Erlebnis."

Doch nicht nur die Kunden sind dem Geschäftsmodell verfallen. Auch große Investoren sehen in den Klubs eine neue Generation besonderen Erfolg versprechender Internethändler. Ebay gab gestern für 200 Millionen Dollar (150 Millionen Euro) die Übernahme von Brands4Friends bekannt. Keine drei Jahre nach seiner Gründung wird der Einkaufsklub damit von einem Branchenriesen geschluckt. Das Auktionshaus beabsichtigt demnach, mit dem Kauf seine Position als "eine der führenden Onlineplattformen für Mode in Europa zu stärken".

Bisher sind die Erfahrungen der Mitglieder überwiegend positiv

Amazon hat vor wenigen Wochen Buy-vip.com mit nach eigenen Angaben 5,5 Millionen Mitgliedern gekauft. Der Schuhversender Zalando.de schuf sich mit Zalando-lounge.de einen eigenen Klub. Die Hamburger Otto Group hat sich im vergangenen Jahr die Münchner limango einverleibt. "Private Shopping ist eines der aktuell interessantesten und am schnellsten wachsenden Geschäftsmodelle", begründet Otto-Sprecher Thomas Voigt den Zukauf. Zielgruppe der Private-Shopping-Aktivitäten seines Arbeitgebers seien fashionorientierte weibliche Käuferinnen aus Metropolregionen mit unteren und mittleren Einkommen und einer Affinität zum E-Commerce. Der Hamburger Konzern baut die Shopping-Klubs derzeit international aus. Nachdem die Tochter limango in Deutschland Platz drei im Markt belegt und in der Türkei sogar zum zweitgrößten Anbieter aufgestiegen ist, will Otto diese Erfolge unter den Namen ShopDeLuxe in Russland und Prestige in der Ukraine wiederholen.

Die Kehrseite des Booms sehen Branchenkenner allerdings im wachsenden Wettbewerb zwischen den Klubs. Oft werden gleich mehrere Einkäufer bei den bekannten Marken vorstellig, um sich die Lagerbestände zu sichern. Die begehrtesten und aktuellsten Artikel sind dann schnell vergriffen. "Die Klubs dürfen nicht zur Resterampe verkommen", warnt limango-Chef Sven van den Bergh. Den Herstellern ist es zwar recht, wenn sie ihre Überschüsse diskret im Internet loswerden. Auch der Handel ist nicht traurig, wenn die Kunden sich nicht mehr an Wühltischen vorbeidrücken müssen, bis sie zu den teureren Jacken oder Hosen vorstoßen. Wenn die durch kostspielige Werbung gewonnenen Kunden sich zu Karteileichen entwickeln oder die Klubs teuer reguläre Ware kaufen müssen, um ihr Angebot zu komplettieren, kann das Geschäft aber schnell nach hinten losgehen.

Bisher sind die Erfahrungen der Mitglieder und selbst die Resonanz bei den oft kritischen Verbraucherschützern auf die Klubs aber überwiegend positiv. "Man muss sich zwar bewusst sein, dass sich ein Großteil der Waren dem Preisvergleich entzieht", sagt Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg mit Blick auf Mode aus vergangenen Saisons. Beschwerden über die Klubs seien den Verbraucherschützern aber nicht bekannt.

"Der frühe Vogel fängt den Wurm ...", lautet der Kommentar von simba 2010 im Internet, die berichtet, dass sie sich frühmorgens den Wecker stellen musste, um bei einer Aktion von limango noch zum Zuge zu kommen. "Die Kontingente sind knapp", schreibt sie in einem Internetforum. Sven van den Bergh will hier aber Abhilfe schaffen, verspricht der Manager: "Wir wissen jetzt, dass manche Kundinnen nicht so früh aufstehen wollen, und bieten einige Aktionen erst um neun Uhr an." Frühschichten vor dem Rechner dürften in vielen Familien damit bald der Vergangenheit angehören.