Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Leistungssport ist ein Tagesgeschäft. Die Form muss auf die Uhrzeit genau stimmen. Das unterscheidet die Besten von den Guten. Die Amerikaner haben diese Erkenntnis zum Prinzip erhoben. Wer bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften mitmachen will, hat genau eine Chance, sich zu qualifizieren. Er muss bei den Trials, den Ausscheidungswettkämpfen, Erster, Zweiter oder Dritter werden. Ausreden oder Verletzungen zählen nicht. Das ist brutal, jedoch transparent und planbar.

Der Hamburger Schwimmer Steffen Deibler wurde bei den deutschen Meisterschaften zweimal Zweiter und einmal Erster. Weil er auf allen Strecken die Richtzeiten für die WM in China, wenn auch denkbar knapp, verpasste, hätte er nach den strengen Nominierungskriterien des deutschen Verbandes seinen Badeanzug eigentlich einpacken können. Doch jetzt gilt Gnade vor Recht. Deibler erhält eine zweite Chance. Und das ist gut so.

Knallharte Auslesemethoden taugen angesichts der schwindenden Zahl deutscher Spitzenathleten nicht als Ultima Ratio, vor allem wenn der Betreffende - wie Steffen Deibler - seine internationale Klasse wiederholt nachgewiesen hat. Gerade die deutschen Schwimmer hatten in der Vergangenheit Probleme, punktgenau fit zu werden. Das lag weniger an ihnen als an ihren Trainern, denen die Steuerung der Belastungen auf den Saisonhöhepunkt hin misslang. Im Zweifel für den Sportler scheint auch deshalb eine weise Entscheidung, da in den olympischen Disziplinen Leistungssport die anstrengendste Nebensache der Welt bleibt - für die arbeitende oder studierende Athleten wie Deibler aber unzählige Opfer bringen.