Hamburger Abendblatt:

1. Die Chinesin Li Na hat in Paris die French Open gewonnen. Sie ist die erste Asiatin, die bei einem der vier Grand-Slam-Turniere siegte. Werden die Chinesinnen künftig das Damen-Tennis dominieren?

Barbara Rittner:

Nein. Aber sie werden eine stärkere Rolle spielen - wie in allen anderen Sportarten auch. Der Sieg Li Nas ist ja keine Überraschung. Sie gehört seit ein paar Jahren zur Weltspitze, und sie hatte im Januar mit ihrer Finalteilnahme bei den Australian Open in Melbourne gezeigt, dass sie die spielerischen Fähigkeiten besitzt, auch eines der vier großen Turniere zu gewinnen.

2. Wie ist der Erfolg Li Nas zu erklären? Die Popularität des Tennis hielt sich in China bislang in Grenzen. Volkssport bleibt Tischtennis.

Rittner:

Vieles hängt mit den Olympischen Spielen 2008 in Peking zusammen. In den zehn Jahren vorher ist in China ein großflächiges Sportprogramm angelaufen. Die Kinder wurden im Alter zwischen sechs und acht Jahren systematisch gesichtet, den olympischen Sportarten zugeteilt, zu denen Tennis gehört, und danach entsprechend intensiv gefördert. Wir waren 2006/2007 mit unserem Fed-Cup-Team in China. Da haben sich unsere Spielerinnen vor dem Training mal eine halbe Stunde lang mit den Ballkindern eingespielt. Das Niveau dieser Jungen und Mädchen war erstaunlich. Da ist für die Zukunft einiges zu erwarten.

3. Welche Faktoren sind für den Erfolg im chinesischen Sport entscheidend: die Masse Mensch oder harte Trainingsmethoden?

Rittner:

Das Reservoir an Talenten ist bei 1,4 Milliarden Menschen natürlich riesengroß. Hinzu kommen Disziplin, Durchhaltevermögen und eine gewisse Leidensfähigkeit. Wer es am Ende nicht ganz nach oben schafft, droht vor dem Nichts zu stehen. Das ist ein zum Teil brutaler Ausleseprozess.

4. Wann wird wieder eine deutsche Tennisspielerin ein Grand-Slam-Turnier gewinnen?

Rittner:

Da muss vieles zusammenkommen, auch ein bisschen Glück. Mit Andrea Petkovic, Julia Görges und Sabine Lisicki haben wir aber jetzt drei junge Spielerinnen, die alle das Potenzial haben, dass ihnen in den nächsten Jahren der ganz große Coup gelingen könnte.

5. Während die vier besten Tennisspieler der Welt seit Jahren dieselben sind, fehlt bei den Damen diese Kontinuität. Was ist der Grund?

Rittner:

Zurzeit vollzieht sich ein Generationswechsel, dadurch fehlt momentan eine klare Hierarchie. Für mich bleibt die US-Amerikanerin Serena Williams die derzeit beste Spielerin, sie ist jedoch sehr oft verletzt. Nach ihr gibt es eine große Breite an der Spitze, jede kann jede bezwingen. Das macht das Damen-Tennis gerade so interessant.