Die “Zeit“-Stiftung ist die Essenz des Lebenswerks des engagierten Bürgers Gerd Bucerius

1971 ist ein gutes Jahr für Gerd Bucerius. Das Verlagshaus Gruner + Jahr, an dem Bucerius wesentlich mitbeteiligt ist, wird Teil der Bertelsmann AG, die ihn zum Vorsitzenden ihres Aufsichtsrates ernennt und ihn mit leicht über zehn Prozent am Bertelsmann-Konzern beteiligt. Hatten Bucerius in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten immer wieder Sorgen hinsichtlich der finanziellen Situation seiner Zeitungen geplagt, so hat er jetzt, 1971, ein beruhigendes Polster erwirtschaftet.

Im gleichen Jahr noch errichtet Gerd Bucerius die gemeinnützige "Zeit"-Stiftung. Seine Stiftung soll Wissenschaft in Forschung und Lehre, das allgemeine Bildungswesen, Kunst und Kultur fördern.

Der Verleger Bucerius setzt mit der Stiftungsgründung ein außergewöhnliches gesellschaftliches Engagement fort, das sein gesamtes Leben bestimmt hat. Die Nationalsozialisten untersagen ihm, die eingeschlagene Richterlaufbahn fortzusetzen. Als Rechtsanwalt engagiert er sich für viele jüdische Mitbürger und beweist Zivilcourage während des Nationalsozialismus. "Ich war einer, der sich bückte und sich drückte, aber nicht nachgab." Am Neubeginn 1945 will Bucerius entschieden mitwirken. Er leistet einen großen Beitrag zum Aufbau der Bundesrepublik. Gerd Bucerius wird einer der prägenden Verleger des Landes, als er mit der "Zeit" 1946 ein liberales Wochenblatt auf den Markt bringt. Er wird zudem politisch aktiv: Als Bausenator im stark zerstörten Hamburg, als Mitglied des Wirtschaftsrates und als Bundestagsabgeordneter von 1949 bis 1962. Konrad Adenauer macht ihn zum Sonderbeauftragten für Berlin. Nach der Zeit als Politiker konzentriert er sich auf seine Zeitungen, vor allem auf "Die Zeit". In der Kolumne "Gerd Bucerius zu Fragen der Zeit" meldet er sich selbst zu Wort.

Liberal, unabhängig, umtriebig, urteilsreich - so wird dieser außergewöhnliche Mann beschrieben, der sein gesamtes Vermögen, einschließlich der Anteile am Bertelsmann-Konzern, mit seinem Tod seiner Stiftung vermacht. Die Bucerius Law School, das Flaggschiff der "Zeit"-Stiftung, das Bucerius-Kunst-Forum, die Bucerius Summer School on Global Governance und viele Stiftungsprojekte führen das Werk von Gerd Bucerius in die Gegenwart fort: Sich einmischen, die Gesellschaft gestalten, auch mal wider den Stachel zu löcken, im besten Sinne kritisch sein, das sind Leitmotive der Stiftungsarbeit.

Gerd Bucerius war "einer der wirkungsmächtigsten Mitbürger Hamburgs", sagte Helmut Schmidt 2006, als die Stadt Hamburg den 100. Geburtstag ihres Ehrenbürgers beging und "Zeit" und "Zeit"-Stiftung ihrem Gründer ihre Reverenz erwiesen.

Mit seiner Begeisterung für Freiheit und Unabhängigkeit und mit seinem gesellschaftlichen Engagement war Gerd Bucerius zeitlebens ein positiver Unruhestifter. Welch Glück und welche Verpflichtung, ihn als Stifter zu haben.