30 Kaffeekünstler treten in Hamburg zur Deutschen Meisterschaft an. Die Teilnehmer formen Indianer und Tulpen aus Milchschaum.

Hamburg. Das interessiert sie nicht die Bohne? Von wegen. Die Blicke von Hunderten Zuschauern waren auf Sener Sönmez gerichtet, wie seine Hand routiniert kreist, ruhig und rhythmisch. So als würde er mit einem Pinsel über eine Leinwand streichen, gießt er Milchschaum in eine Espresso-Tasse. Vor ihm steht nach wenigen Sekunden sein Kunstwerk. Eines, das man nicht nur bewundern, sondern auch riechen und schmecken kann.

Sener Sönmez ist einer von 30 Kaffeekünstlern, die beim Barista-Wettbewerb gegeneinander antreten. Barista (italienisch: Barmann) ist kein geschützter Begriff, aber die neue Kaffeeszene hat ihn kultiviert, um das Bewusstsein zu schärfen, dass es sich um ein eigenständiges Handwerk handelt. Am Wochenende wurde die Meisterschaft im Café Elbgold an der Lagerstraße ausgetragen.

Sönmez' Werkzeug ist nicht der perfekte Farbton, sondern der perfekte Milchschaum. In der cremig geschlagenen Milch seines Espresso macchiato ist ein Indianermotiv zu erkennen. Das Publikum klatscht, aber Sönmez hat nur Ohren für seinen Milchschaum. "Den Moment für die perfekte Konsistenz muss man hören, sehen, fühlen", sagt der Hamburger und widmet sich seinem zweiten Indianer. Im Finale der Latte Art Contests müssen die Teilnehmer jedes Motiv zweimal exakt gleich vor den Augen der Jury in die Tassen zaubern. Für sechs Kaffees bleibt nur zehn Minuten Zeit. Jeder Handgriff wird genau beobachtet, anschließend jeder Kaffee beäugt und natürlich probiert. Während Sönmez auf seine Punktzahl wartet, verrät ein Jurymitglied der Barista Championship das Geheimnis des Gewinnerkaffees. "Der Kontrast zwischen Milch und Crema muss stimmen, der Milchschaum seidig glänzen und der Kaffee eine überzeugende Aromanote haben, etwa mit Anklängen von Zitrusfrüchten oder Blaubeeren", sagt Agnes Unterforsthuber. Sener Sönmez meint selbstkritisch: "Ich wollte den Letzten Mohikaner Hamburgs zeigen, aber die Gesichtskonturen lassen zu wünschen übrig." Der 40-Jährige, schwarze Haare, dunkler Teint, ist bekennender Perfektionist und gießt seinen Kunden in seiner traditionell italienischen Espresso-Bar Due Baristi in Eimsbüttel neben Indianern auch Tulpen oder Fahnenblätter in die Tassen.

19 von 30 Punkten gibt ihm die Jury. "Ich hätte die Aufregung zu Hause lassen müssen", sagt Sönmez knapp und gratuliert dem neuen Latte-Art-Meister Matthias Hoppenworth (22,5 Punkte). Der 28-jährige Barista nennt sich schlicht Kaffeekoch. "Latte Art ist wie Blumengießen", sagt er mit einem breiten Siegerlächeln. Der Volkswirtschaftsstudent hat das besondere Kaffeekochen erst vor zweieinhalb Jahren für sich entdeckt, als das Restaurieren von Espresso-Maschinen sein Nebenverdienst war. "Mein Ziel ist es einfach, immer technisch sauber zu arbeiten", sagt der Frankfurter, der nun im Juni als Deutscher Meister Latte Art zur Weltmeisterschaft nach Maastricht reisen wird. Viel habe er gelernt, indem er sich YouTube-Videos angesehen und sich mit anderen Baristas ausgetauscht habe, so Hoppenworth. Etwa über Espressi mit seidiger Textur, feiner Säure, die mit leichten Bitterakzenten harmonieren.

Kommt da der Kaffee-Normalverbraucher noch mit? Das ist ja nicht die Absicht der Kaffeekünstler. Was beim Wein in den letzten Jahren erreicht wurde - die Steigerung der Weinqualitäten bei gleichzeitiger Qualifizierung der Kundschaft - stehe beim Kaffee noch aus, sagt Jurorin Unterforsthuber. Baristi wie Sönmez sind Botschafter der Bohne, auch ohne Titel.