Stephan Weichert, 37, ist Professor für Journalistik an der Macromedia Hochschule Hamburg

1. Hamburger Abendblatt:

Die künstlerischen Leistungen bei "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) scheinen sich immer weiter nach unten zu bewegen. Ist das von den Machern gewollt oder gibt es keine besseren Sänger?

Stephan Weichert:

Auch Erfolgsformate wie "DSDS" laufen sich irgendwann tot. Ich glaube, dass sich die Zuschauer an derlei Casting-Shows schon sattgesehen haben, sie warten auf neue Ideen. Dass die Macher die Qualtätsschraube der Teilnehmer absichtlich nach unten drehen, um für mehr "Totalausfälle" zu sorgen, halte ich für eine Mutmaßung. Allerdings gibt es vermutlich auch immer weniger Anwärter, die sich der Tortur und den Folgen eines solchen Castings überhaupt stellen wollen.

2. Was fasziniert junge, was alte Zuschauer an "DSDS"?

Weichert:

Es gibt bei solchen Talentwettbewerben einen Fremdschäm-Effekt, der Zuschauer anlockt, die sich an den Peinlichkeiten der Vorsänger, aber auch an den häufig selbstgerechten Kommentaren oder Beleidigungen der Jury ergötzen - so ein Voyeurismus-Gen haben wir alle, da fällt das Wegsehen schwer. Das Publikum ist weiterhin fasziniert von dem Traum, dass normale Menschen mit Talent über Nacht zum Star werden können.

3. Hat sich "DSDS" trotz der sechs Millionen Zuschauer überlebt?

Weichert:

Auch die Show vom Sonnabend konnte bei den 14- bis 49-Jährigen mit über 30 Prozent Marktanteil punkten, das schaffen nur noch ganz wenige Sendungen. Die sechs Millionen Zuschauer können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in letzter Zeit immer weniger eingeschaltet haben. Der Trend wird anhalten.

4. Mit dem 16-jährigen Sebastian Wurth wurde ein Softie aus der Sendung herausgewählt. Bevorzugt "DSDS" im Finale derbe Typen?

Weichert:

Ich könnte mir gut vorstellen, dass auch durch den weltweiten Hype um den 17-jährigen Justin Bieber inzwischen schon wieder nach neuen Gesichtern gesucht wird. Man muss einen bestimmten Typen verkörpern, um sich von der Musikindustrie erfolgreich vermarkten zu lassen. Das gilt für Lena genauso wie für Lady Gaga.

5. Sind die beiden Juroren neben dem eigentlichen Protagonisten der Sendung nur Statisten für Dieter Bohlen geworden?

Weichert:

Mein Eindruck ist, dass die komplette Sendung schon länger um Dieter Bohlen herumgebaut wird. Das ist schon länger ein Trend, der sich auch an Heidi Klums "Germany's Next Topmodel" oder Stefan Raabs TV-Event-Maschinerie zeigt. Dort sind Leute wie Elton allenfalls noch Sidekicks, die spätestens nach zwei Staffeln entsorgt werden. So wird es irgendwann auch dem "DSDS"-Duo Brandao/Nuo ergehen.