Fritz Vahrenholt, 61, Chef von RWE Innogy, befasst sich mit der Nutzung grüner Energien

Hamburger Abendblatt: 1. Herr Vahrenholt, die Regierung debattiert über die Zukunft der Kernenergie. Wie vernünftig ist ein schneller Ausstieg?

Fritz Vahrenholt: Je schneller der Ausstieg kommt, desto höher sind die Kosten des Umbaus unserer Energieversorgung und die Risiken für die Versorgungssicherheit. Denn es reicht ja nicht, Windparks auf See und an Land zu bauen. Sie müssen den Strom auch in das Land bekommen. Wir brauchen Stromtrassen von Nord nach Süd und riesige Speicherkapazitäten, um die Schwankungen des Windstroms auffangen zu können.

2. Aber Stromleitungen müssten sich doch schnell bauen lassen.

Vahrenholt: Zurzeit scheitern viel zu viele Vorhaben an extrem langen Genehmigungsverfahren und nicht enden wollenden Einsprüchen der Bevölkerung. In Niedersachsen etwa scheint der Bau von Transportleitungen derzeit aufgrund von zu hohen Genehmigungsanforderungen gar nicht mehr darstellbar. Solange sich das nicht ändert, wird eine sichere Versorgung bei einem zu frühen Ausstieg zum Drahtseilakt.

3. In welcher Zeit ließe sich denn ein verantwortungsvoller Ausstieg bewerkstelligen?

Vahrenholt: Das kommt darauf an. Wenn wir den Ausstieg innerhalb von fünf Jahren durchziehen, dann müssen wir uns von so energieintensiven und schönen Branchen wie Aluminium und Zink verabschieden. Wenn wir aber 15 bis 20 Jahre Zeit haben, dann können wir die Energieversorgung ohne größere Schwierigkeiten umbauen.

4. Welche Kosten kämen auf die Verbraucher zu?

Vahrenholt: Ich gehe davon aus, dass an Land produzierter Windstrom von heute sieben bis neun auf fünf bis sieben Cent je Kilowattstunde herunterkommt und Wind vom Meer eines Tages zehn statt 15 Cent kostet. Beides liegt aber immer noch weit über dem Börsenpreis und wird sich in den Strompreisen niederschlagen, ebenso wie der Bau von Netzen, Speichern und neuen Kraftwerken.

5. Kann das schnelle Ende der Kernenergie auch ein Wachstumsmotor und eine Chance für andere Branchen sein?

Vahrenholt: Natürlich, der Ausstieg ist ja längst beschlossene Sache! Deutschland ging bereits vor der Katastrophe in Fukushima den steilsten Weg in Richtung erneuerbarer Energien. Aus diesem Grund sind unsere Ingenieure hier auch weltweit mit führend. Gerade wir im Norden kennen doch zum Beispiel große Windanlagenbauer wie Repower, die sich hier angesiedelt haben. Aber auch die Zuliefererindustrie überall in Deutschland profitiert. Dennoch gibt es zeitliche Restriktionen beim Umbau eines gesamten Energiesystems. Die sollten wir besser akzeptieren.