Der neue Geschäftsführer Carl Bergengruen will in digitale Märkte investieren. Auf dem Unterhaltungsmarkt soll er ein neues Projekt haben.

Hamburg. Man kann Carl Bergengruen, dem neuen Chef von Studio Hamburg, nicht vorwerfen, er würde unangenehme Nachrichten zurückhalten. Kaum hat sein Gast ihn nach seiner wichtigsten Entscheidung im neuen Job gefragt, sagt er, dass er den Bereich Atelier und Technik umbaue, weil Studio Hamburg "auf die deutschlandweit sinkende Nachfrage nach Studios" reagieren müsse.

Normal ist es nicht, dass der neue Geschäftsführer eines Unternehmens mit 831 Mitarbeitern bei einem Interview schon bei der ersten Frage von sich aus auf Probleme seines Hauses zu sprechen kommt. Bergengruen hat damit offenbar keine Schwierigkeiten. Er schildert, dass der Standort Berlin, wo Studio Hamburg stark engagiert ist, durch den Wegzug von Sat.1 nach München besonders betroffen sei. Man habe dort dank verstärkter Akquisebemühungen auch schon neue Mieter gefunden wie etwa die Produzenten der RTL-2-Show "Sing! Wenn du kannst". Und nein, wegen des Umbaus werde es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Für das Problemfeld Atelier und Technik ist seit dem 15. Februar Finanzgeschäftsführer Robin Houcken zuständig. Bisher verantwortete es Hans-Peter Urban, der im August - dann wird er 67 Jahre alt - die Holding-Geschäftsführung verlässt.

Natürlich kann sich Bergengruen diese Offenheit leisten. Er ist ja erst seit 1. Februar im Amt und hat weder den Umzug von Sat.1 noch sonst irgendwelche Überkapazitäten an Studios im deutschen TV-Markt zu verantworten. Aber weil er nicht mit großer Geste erklärt, wie der Karren aus dem Dreck zu ziehen sei, sondern nüchtern schildert, was ist, scheint es ihm wirklich um Transparenz zu gehen.

Die Überkapazitäten an Studioflächen schlagen sich auch bei einer anderen Entscheidung Bergengruens nieder. Die Pläne, in der HafenCity ein Studio für Großveranstaltungen zu errichten, ein Lieblingsprojekt seines Vorgängers Martin Willich, hat er einstweilen ad acta gelegt: "Wir sehen dafür zurzeit keinen Bedarf", sagt er. Die Studios am Stammsitz in Tonndorf seien aber gut ausgelastet, was auch daran liege, weil man bereit sei, bei der Akquise neue Wege zu gehen. So wird ein Studio künftig ausschließlich der Produktion von Werbefilmen vorbehalten sein.

Im Geschäftsjahr 2010 war Studio Hamburg eher mäßig erfolgreich. Der Umsatz stagnierte bei 280 Millionen Euro. Das Ergebnis ging von 6,2 Millionen auf 2,1 Millionen Euro zurück. Auch das liegt vor allem an den Schwierigkeiten des Unternehmensbereichs Atelier und Technik.

Hinzu kommt nach Beobachtung Bergengruens, dass die privaten TV-Sender ihre hohen Gewinne nicht unbedingt in Produktionen reinvestieren. Tatsächlich sind insbesondere die guten Ergebnisse der Sender der RTL-Gruppe auf einen harten Sparkurs beim Programm zurückzuführen. Eine Prognose für 2011 will der Geschäftsführer wegen des noch nicht abgeschlossenen Umbaus im Bereich Atelier und Technik nicht abgeben.

Auf die Frage, wo die Akzente seiner Amtszeit liegen werden, sagt Bergengruen: "Wir müssen diesen Konzern in die digitale Zukunft führen." Große Hoffnungen setzt er auf Video on Demand. Derzeit entwickelt Studio Hamburg gemeinsam mit ARD und ZDF, aber auch mit bekannten Produzenten wie Jan Mojto sowie mit Vertriebsfirmen eine Plattform für das Herunterladen von Filmen. Das Projekt trägt den Arbeitstitel "Germany's Gold". Markteinführung soll 2012 sein.

Auf dem Gebiet der Unterhaltung will Bergengruen Studio Hamburg stärken. Offenbar gibt es hier Pläne für ein konkretes Projekt, zu dem er aber nichts Näheres sagen will. Ansonsten will der Geschäftsführer an dem Mix an industriell produzierten Serien à la "Rote Rosen" und eher anspruchsvollen Produktionen festhalten. Stolz erwähnt er den Grimme-Preis für "Neue Vahr Süd". Er selbst werde keine Filme entwickeln. Eine Bemerkung, die ihm wichtig ist. Schließlich eilt dem studierten Germanisten und langjährigen SWR-Fernsehspielchef der Ruf voraus, eigentlich ein Kreativer zu sein. "Ich sehe mich nicht als Schöngeist", widerspricht er.

Carl Bergengruen trägt denn auch einen Schlips. Sein alter Arbeitgeber, der SWR, verbreitete von ihm noch ein Pressebild, auf dem er ohne Krawatte zu sehen war. Und die Offenheit des neuen Studio-Hamburg-Chefs hat auch ihre Grenzen. Das Interview gibt er in einem eher nüchternen Konferenzraum. Sein jovialer Vorgänger Willich hatte zu solchen Anlässen stets in sein Büro geladen.