Prof. Dr. Christian Pfeiffer, 67, leitet das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen

Hamburger Abendblatt:

1. Ist es typisch für ein Beziehungsdrama wie der Bluttat in Hamm, dass der Mann zur Waffe greift und auf seine Partnerin schießt?

Christian Pfeiffer:

Es kommt selten vor, dass Frauen ihre Männer töten. Es gibt einen spannenden Unterschied: Wenn Frauen den Partner töten, dann weil sie sich von ihm befreien möchten. Während Männer die Frauen töten, weil sie diese nicht gehen lassen wollen. Männer wollen auf immer und ewig besitzen.

2. Welche Männer sind besonders gefährdet, so auszurasten?

Pfeiffer:

Es sind vor allem solche Männer, die kein Selbstwertgefühl haben. Die kein soziales Netzwerk haben, keine Arbeit oder keinen Beruf, der ihnen Spaß macht. Alkoholiker, Einzelgänger, isolierte Menschen sind gefährdet. Männer, die keine Zuwendung und Anerkennung erfahren. Ihnen fehlen die Ressourcen, um mit einer Trennung umgehen zu können. Sie sehen nicht, dass Loslassen auch eine Quelle von Kraft sein kann, ein Neuanfang.

3. Wie kann es zu solch einer Bluttat kommen?

Pfeiffer:

Psychologen nennen das eine "röhrenförmige Verengung des Blickfeldes". Der Täter sieht nur, dass seine Partnerin ihn verlassen will. Das ist ein bohrender Schmerz. Er sitzt in einer Sackgasse, und das macht ihn unglaublich wütend, er verliert die Kontrolle über seine Gefühle.

4. Der Täter ist Sportschütze. Senkt das die Hemmschwelle, auf Menschen zu schießen?

Pfeiffer:

Schießen üben ist mögliches Töten. Es gibt eine stark ausgeprägte Tendenz bei Männern, sich über das Kämpfen zu identifizieren. Eine Waffe verleiht Macht und Stärke. Ich betrachte solche Männer mit einem Fragezeichen. Die Waffe wird ja auch als Braut des Soldaten bezeichnet. Sie verleiht ihm ein Image. Die Waffe wird zum wichtigen Partner mit einer fast erotischen Komponente.

5. Gehören gefährliche Waffen weggesperrt?

Pfeiffer:

Diese hochgefährlichen Schusswaffen sollten im Schützenverein eingeschlossen sein. Viele Sportschützen sehen das sicher anders. Denn was nützt die Braut, wenn sie im kühlen Metallschrank eingesperrt ist?