Warum sich die Grünen vor einer Kanzlerkandidatur hüten sollten

Es mutet kokett an: Je stärker die Grünen werden, desto vehementer wehren sie sich dagegen, eine Volkspartei zu sein. Aber hinter der Weigerung steckt mehr. Bei nüchterner Betrachtung ihrer selbst müssen die Grünen feststellen, dass die Wähler derzeit vor allem eines bewegt: die Atomkraft. Es ist das Ur-Thema der Partei, mit dem sie in ihrem 32. Lebensjahr auch konservative Wählerschichten von sich überzeugen kann.

Genau darin versteckt sich das Dilemma des historischen Umfragehochs. Die Situation der Grünen erinnert unweigerlich an das Hoch der FDP bei der Bundestagswahl 2009. Mit ihrer Steuersenkungs-Agenda stiegen die Liberalen kometenhaft auf, um danach wie eine Sternschnuppe zu verglühen. Wie damals die FDP stehen heute die Grünen als Ein-Thema-Partei da. Nur mit dem Kampf gegen die Atomkraft verbunden zu werden könnte ihnen noch zum Verhängnis werden.

Beschleunigt die Regierung den Atomausstieg, wird man im Wahljahr 2013 womöglich über ganz andere Themen sprechen. Es mag ja sein, dass manche Grüne eine kluge Idee von grüner Industriepolitik und grüner Innenpolitik haben. Nur hat der neue Rekordwert damit herzlich wenig zu tun. Vor dem Flirt mit einer Kanzlerkandidatur sollten sich die Grünen also hüten. Wie groß sie wirklich sind, werden sie in zwei Jahren wissen.