Hamburg. H Hier die Regel - auch Rilke hat darüber geschrieben: Jeder Mensch stirbt einen eigenen Tod! So ist es möglich, dass der Tod, obwohl er schon seit Menschengedenken zigtausendfach täglich vorkommt, nie banal ist und nie leicht wird. Banal ist es nur, die Taten eines Verstorbenen nach dessen ganz eigenem Tod staunend zu preisen, um all das, was er zeitlebens unterließ, zu verschleiern. Nur: Wir gehen oft so vor - Sie und ich und alle! Sind gezwungen so vorzugehen - nicht wahr? Um uns nicht in die Verlegenheit zu bringen, Wahrheiten aussprechen zu müssen, die uns vor Augen führen, wie viel wir selbst Tag um Tag, unsere Pflicht missachtend, unterlassen. Hier die Ausnahme: Ich habe das Gefühl, dass ich die Taten von Renate Wald preisen kann, ohne banal zu werden.

Meine erste längere Begegnung mit ihr Anfang 2005 war gezeichnet von der Sorge um den Gesundheitszustand ihres fast 30 Jahre älteren Mannes Hubertus Wald. Die zweite Begegnung fand viele Monate nach seinem Tod statt. Ich saß wieder im selben Raum vor dem Kamin. Günter Hess, Vorstand der Hubertus-Wald-Stiftung, zu meiner Rechten, Frau Wald zu meiner Linken - das blieb auch später immer so.

In den folgenden Jahren ließ sie an ihrem Willen, das begonnene Werk ihres Mannes fortzusetzen, keinen Zweifel aufkommen. Das Besondere an den Begegnungen mit ihr war, dass sie wirklich zuhörte. Diese einfache Grundlage einer Unterhaltung versteht sich ja keineswegs von selbst. Die Idee vom Orchester als ein klingendes Kompetenzzentrum für Musik zum Wohle der Stadt, die Idee einer musikalischen Stadt voller guter Kunst, in der Kinder lernen, ihre Umwelt mit offenen Augen und Ohren zu umarmen, hat sie begeistert. Unkritisch wurde sie darüber nie. Sie legte Wert auf tadellose Umgangsformen, war mir gegenüber aber nie ungemütlich steif. Sie konnte herzlich lachen. Und sie wusste, dass man eine Party verlässt, wenn es am schönsten ist, um am nächsten Tag das, was man tun muss, mit Elan tun zu können.

Bei all dem blieb sie geheimnisvoll. Wer weiß, wie sie die Kindheit verbrachte, was sie als junge Frau bewegte? Selbst engste Mitarbeiter wurden mit solchen Bekenntnissen nicht behelligt. Ich kenne nur ihre Taten und habe, wie gesagt, das Gefühl, dass sie die Zeit, die ihr gegeben war, sehr gut zu nutzen verstand - nicht zuletzt zu unser aller Wohl. Sie fehlt mir.