Der Angeklagte Florian S. muss sich jetzt vor Gericht verantworten. Aus Habgier hat er einen afghanischen Kioskbesitzer überfallen und ermordet.

Neustadt. Die Kunden, die am frühen Morgen des 17. September den Kiosk an der Langenhorner Chaussee betraten, wunderten sich: Wo war Shams K.? Und wer war der Mann, der sie bediente?

Was hier wirklich vor sich ging, ahnte niemand: Dass der Kioskbesitzer mit schwersten Kopfverletzungen gefesselt im Keller des Ladens lag - und dass der Mann, der ihnen Zigaretten verkaufte, nur wenig später sein Mörder werden sollte.

Seit gestern steht Florian S., 38, für den Habgier-Mord vor Gericht. Er trägt einen grauen Dreiteiler mit ordentlich gebundener Krawatte. Penibel ordnet der Mann mit dem markanten Gesicht und den leichten Geheimratsecken einen Stapel mit Blättern, macht sich ständig Notizen - und vermeidet so Blickkontakt mit den Zuschauern.

Zum Prozessauftakt will Florian S. Ruhe ausstrahlen, aber es gelingt ihm nicht. Wer genau hinschaut, sieht, wie seine Hände zittern und sein Blick ruhelos durch den Saal irrt, wenn er mal nichts aufschreibt. Angaben will der 38-Jährige nicht machen. Von seiner Verteidigerin lässt er aber eine Erklärung verlesen - sein Geständnis. Von den Angehörigen des Opfers verfolgt niemand den Prozess. Es ist besser so. Wären sie gekommen, hätten sie mit anhören müssen, wie brutal Florian S. den Kioskbesitzer tötete. Sie hätten von den "Unmengen von Blut im Keller" gehört. Vielleicht hätten sie sich den Rest zusammengereimt und daraus geschlossen, dass der 54-Jährige qualvoll starb. Und das wäre nah dran an der Wahrheit.

Der Angeklagte, der da im feinen Anzug vor Gericht sitzt, ist ein kleinkrimineller Drogensüchtiger. Als er vor sechs Jahren auf Methadon umstellt, schließt er sich der christlichen Gemeinde Victory Outreach an. In dieser Zeit baut sich Florian S. eine bürgerliche Existenz auf. Die Frau, die er heiratet, ist Ärztin. 2007 wird er Vater, 2009 kauft die Familie sich ein Haus. Doch Florian S. kriegt die Kurve nicht und ist 2010 wieder auf Droge. Um seine Sucht zu finanzieren, braucht er dringend Geld. Er beschließt, den Kiosk unweit der elterlichen Wohnung in Langenhorn zu überfallen. Den Laden kennt er, den Inhaber auch. "Der Plan war, ihm einen Faustschlag zu verpassen und ihn zu fesseln", sagt Florian S.

Gegen 6.30 Uhr betritt er den Kiosk mit zwei Reisetaschen. In einer liegt ein DVD-Player, den er zum Schein an den Kioskbesitzer verkaufen will. Als sich Shams K. über das Gerät beugt, schlägt er ihm mit einem Hammer zwölfmal auf den Kopf, zerrt den Afghanen in den Keller, fesselt ihn mit Kabelbindern auf einem Stuhl.

Dann geht Florian S. wieder in den Laden, stiehlt 700 Euro Bargeld, Alkohol und Zigaretten. Es ist eine bizarre Situation: Während sein Opfer mit Schädelbrüchen und Platzwunden im Keller sitzt, bedient er die Kunden. Als das Telefon klingelt, nimmt er ab. Am Apparat: Shams K.s Frau, die wissen will, wo ihr Mann ist. Florian K. antwortet: "Der ist nur kurz weg."

Dann kehrt Florian S. zurück in den Keller. Shams K. schreit um Hilfe, da zieht er ihm eine Plastiktüte über den Kopf, die er luftdicht verschließt.

Als die Beamten, alarmiert von einem Stammkunden, am Tatort eintreffen, ist Florian S. mit der Beute bereits geflüchtet und Shams K. erstickt.

Steffen B., 32, war als erster Polizist am Tatort. Gestern erzählt er, wie er die Leiche des 54-Jährigen entdeckte. Der Polizist muss tief durchatmen. Vor dem Laden habe er den ältesten Sohn des Opfers getroffen, der sei gleich in den Keller gestürmt, er hinterher. Unten habe er gesehen, wie der junge Mann brüllend seinen Vater im Arm hielt.

Florian S. nickt, als seine Verteidigerin für ihn erklärt, dass es "keine Worte gibt, um die Tat zu entschuldigen". Dass er wünsche, "er wäre tot und Herr K. würde leben". Dass er ihn nicht töten wollte, dass er doch Löcher zum Luftholen in die Plastiktüte geritzt habe. "Ich weiß nicht, warum ich so abgedreht bin." Plötzlich seien alle Sicherungen rausgesprungen.

Florian S. droht lebenslange Haft. Ob der Drogenkonsum vor der unfassbar brutalen Tat die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit rechtfertigt, muss das Gericht klären. Dann käme er womöglich mit einer kürzeren Freiheitsstrafe davon.