Liebes Nachbarpärchen, Mitte 30, wir kennen uns nicht. Und das wird auch so bleiben. Nach dem, was ich unfreiwillig von Euch erfahren musste, ist mein Verlangen, Euch zu den mir bekannten Personen unserer beschaulichen Straße aufzunehmen, eher gering. Das weiß ich seit der Nacht auf Sonntag, ziemlich genau zwischen 4.15 und 5 Uhr.

Was Euch vielleicht ungewöhnlich erscheinen mag, das ist eine Zeit, in der ich gerne schlafe. Besonders gerne, wenn ich sonntags arbeiten muss, und noch lieber, wenn ich mit entzündeten Nebenhöhlen den Weg ins Reich der Träume schon schwer genug gefunden habe. Gut, das ist nicht Euer Problem - aber ganz gewiss ist es auch nicht mein Problem, dass Ihr keinen Hausschlüssel dabeihattet.

Klar ist das ärgerlich. Aber musstet Ihr die Schuldzuweisungen öffentlich ausdiskutieren? Ausbrüllen? "Es ist Deine Schuld, Du hast den Schlüssel im Auto liegen lassen, also mach, dass wir da jetzt reinkommen!", hast Du, ich nenne Dich jetzt einfach mal Detlef, gefühlt 100-mal Deine Frau/Freundin/WG-Mitbewohnerin angebrüllt. Wow, ein echtes Talent beim Lösen von Problemsituationen! Aber warum hattest Du eigentlich keinen Hausschlüssel dabei?

Darauf hat Dich, ich nenne sie jetzt mal Anna-Lena, dann auch immer wieder angesprochen. Was Dich noch mehr zum stereotypen Brüllen gebracht hat. Der erste Nachbar schaltete sich mit "Ruhe!"-Rufen ein, was die Problemlösung auf ihren kreativen und verbalen Höhepunkt trieb ("Komm runter, wenn Du was willst"). Und dann war es plötzlich still.

Warum? Das wäre der einzige Grund, warum ich Euch vielleicht doch gerne treffen würde - um zu erfahren, was Ihr schließlich gemacht habt. Die Gelben Seiten - mit Hotels und Schlüsseldiensten der Umgebung - hatte doch noch gar keiner aus dem Fenster geschmissen.