Sarah Wiener, 48, ist Gastronomin, Fernsehköchin und kocht auch häufig mit Kindern

Hamburger Abendblatt:

1. Sind Eltern hysterisch, die nicht möchten, dass ihre Kinder beim Töten eines Tieres zusehen wie kürzlich in Ratekau?

Sarah Wiener:

Ich halte nichts von einer Art Schockmethode, Kindern unvorbereitet irgendwelche Art von Tötungen zuzumuten. Allerdings kann auf dem Land das Schlachten der Tiere ein völlig normaler integrativer Akt des Zusammenlebens sein, so wie es dort schon immer war. Viele verstehen den Zusammenhang zwischen dem eigenen Fleischkonsum und dem Tier nicht mehr, das dafür gestorben ist. Geistige, körperliche oder seelische Gewalt, um dieses Wissen zu vermitteln, ist jedoch strikt abzulehnen.

2. Sie sind selbst einmal in die Kritik geraten, haben das Töten aber pädagogisch begründet. Was lernen Kinder dabei?

Wiener:

Das Zusehen bei einer Schlachtung war ein kleiner Aspekt eines sehr umfänglichen Ernährungssommercamps für den Sender Arte. Die Serie "Sarah und die Küchenkinder" läuft gerade wieder in der Wiederholung. In diesem geschützten und pädagogisch begleiteten Rahmen fand und finde ich es absolut richtig, 12- bis 14-jährigen Kindern zuzumuten, selber wählen zu können, ob sie einer Schlachtung beiwohnen wollen und sich Gedanken zu machen, woher unsere Lebensmittel kommen. Allein dieses Wissen macht uns zum mündigen Mitbürger.

3. Das Kaninchen ist für viele ein Kuscheltier. Sind andere Tiere vielleicht besser geeignet, um Respekt vor Lebensmitteln zu steigern?

Wiener:

Ich sehe in moralischer Hinsicht überhaupt keinen Unterschied zwischen einer Garnele, einem Schwein oder einem Kaninchen. Wollen wir dem einen Geschöpf Respekt entgegenbringen, weil es ein weiches Fell hat und dem anderen darum nicht?

4. Im Unterricht werden auch Fische seziert. Ist es verlogen, jetzt das Töten eines Kaninchens zu skandalisieren?

Wiener:

Es erklärt ganz gut unsere Zerrissenheit, das Messen mit zweierlei Maß. Hier das vermenschlichte Kuscheltierchen, dort bestialische Massentierhaltung, wo Millionen Tiere in ihrem eigenen Kot bei Dunkelhaft nicht artgerecht auf Betonböden gehalten werden. Ich bin leidenschaftliche Köchin. Meine Sympathien liegen ganz klar bei den Nutztieren. Sie haben keine breite Lobby. Auch bei unserem Kaninchen: Geht es da um das Tier oder um die Kinder?

5. Wie sehr sind Kinder und Jugendliche schon von Lebensmitteln entfremdet?

Wiener:

Ich habe Kinder kennengelernt, die hielten Tomaten für Äpfel und Karotten für Gurken. Die Botschaft muss lauten: mehr kochen!