In der alten Bundesrepublik war die "Frankfurter Rundschau" (FR) eine Institution. Geprägt von ihrem langjährigen Herausgeber und Chefredakteur Karl Gerold, einem Sozialdemokraten, und dem späteren FDP-Generalsekretär Karl-Hermann Flach galt sie als die linksliberale Stimme des Landes. Sie bereitete die sozialliberale Koalition von 1969 mit vor. Bis weit in die 80er-Jahre hinein war sie Pflichtlektüre der Linken.

Streng genommen begann ihr Niedergang mit dem Aufstieg der Grünen. Die neue linke Opposition hatte ihre eigene Zeitung, die 1978 gegründete "taz". Zudem wurden manche Positionen der FR nach der Wiedervereinigung obsolet. Das Blatt verlegte sich in den folgenden Jahren auf das Wiederkäuen von Gewerkschaftspositionen, was ihm - auch im Vergleich mit der im Zweifel eher links stehenden, aber ungleich interessanteren "Süddeutschen Zeitung" - den Ruf eintrug, sturzlangweilig zu sein. Viel zu spät wurde vor etwa fünf Jahren redaktionell umgesteuert.

Es ist die Ironie der Geschichte, dass die FR ausgerechnet jetzt, da sie mit klugen Kommentaren und tief schürfenden Analysen so interessant wie lange nicht mehr ist, ihren Status als überregionales Blatt verliert. Aber die deutsche Zeitungslandschaft hat sich längst neu sortiert. Selbst die Partei Die Linke hat mit dem "Neuen Deutschland" ihre eigene Zeitung. Für eine überregionale FR ist am Kiosk kein Platz mehr.