Im Wahlkampf nimmt das Ansehen der Politik schweren Schaden

Es war ein Augenblick der Unverstelltheit, wie man ihn selten erlebt in der Politik. Die Ministerpräsidenten der Union hatten sich im Wahljahr 2002 über alle Maßen empört, weil die Länderkammer das rot-grüne Zuwanderungsgesetz beschloss. Wenig später offenbarte der saarländische Regierungschef Peter Müller, die Entrüstung sei nur Show gewesen. "Legitimes Theater", wie er es nannte.

Jetzt ließ sich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle - hält man sich an das Protokoll des Industrieverbands - zu einer ähnlich wahrhaftigen Bemerkung hinreißen. Der FDP-Politiker begründete das Atom-Moratorium der Bundesregierung vor Spitzenvertretern der Industrie mit den bevorstehenden Landtagswahlen. Entscheidungen seien da "nicht immer rational".

Müller konnte nicht dementieren, er hatte öffentlich gesprochen. Brüderle berief sich, flankiert vom BDI, auf einen Protokollfehler. Ganz gleich, welche Version die zutreffende ist: Der Schaden ist immens. Nicht nur für Brüderle und die Regierung, die sich dem Vorwurf des Wahlbetrugs ausgesetzt sehen. Die Glaubwürdigkeit der Politik erodiert.