Über viele offene Fragen klagen Opposition und soziale Einrichtungen in Hamburg. Schröder: Bereitschaft zum sozialen Dienst groß.

Hamburg/Berlin. Auf der Internetseite des neuen Freiwilligendienstes sind schon Stellen ausgeschrieben. Auch das Deutsche Rote Kreuz in Hamburg sucht drei Freiwillige. Für Fahrdienste, Gartenarbeit und Handwerkliches. Denn mit der Aussetzung der Wehrpflicht endet ab Juli dieses Jahres auch der Zivildienst. Der neue Bundesfreiwilligendienst soll diese Lücke im Sozialsystem kompensieren.

350 Millionen Euro pro Jahr investiert der Bund, um 35 000 Stellen zu schaffen. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und des Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) bleiben erhalten. Derzeit sind noch 45 125 Zivildienstleistende im Einsatz. Heute will der Bundestag über den Gesetzentwurf zum Freiwilligendienst abstimmen. Die Bereitschaft der jungen Menschen zum Freiwilligendienst sei unglaublich groß, sagte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) der "Welt am Sonntag". Für die familienpolitische Sprecherin der FDP, Miriam Gruß, sei der Dienst in Kombination mit dem Ausbau der Jugendfreiwilligendienste die "größte Initiative zum bürgerschaftlichen Engagement in der Geschichte der Bundesrepublik", sagte sie dem Hamburger Abendblatt.

Doch die Opposition übt vor der Debatte im Bundestag scharfe Kritik - an der Ministerin und an dem Konzept der Regierung. Der geplante Dienst sei "eine zentralistische und bürokratische Doppelstruktur, die auch noch dilettantisch vorbereitet wurde", sagte Kai Gehring, der jugendpolitische Sprecher der Grünen, dem Abendblatt. "Statt einer Hauruck-Aktion hätte es eine breite Debatte und Gesamtstrategie mit der Zivilgesellschaft und Trägerlandschaft geben müssen." Die Bundesregierung habe versagt, mit den Ländern klare Anreize zu verabreden, und enthalte den Bundesfreiwilligen sogar das Kindergeld vor, hob Gehring hervor. Die Grünen fordern eine erleichterte Studienzulassung für Freiwilligendienstleistende und Ermäßigungen, etwa durch einen Freiwilligenausweis.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, kritisierte die Regierung. Ministerin Schröder schaffe überflüssige Doppelstrukturen, sagte er dem Abendblatt. "Es darf nicht zu Freiwilligendiensten erster und zweiter Klasse kommen", hob er hervor.

Soziale Einrichtungen, die ihre Arbeit vor allem mit Zivildienstleistenden bewältigen, blicken mit Sorge auf den neuen Freiwilligendienst. "Wir stehen unter Druck, dass wir zum Sommer eigentlich 35 Arbeitsplätze schaffen müssen oder es regnet von irgendwoher noch Bundesfreiwillige", sagte Manfred Niemann, Leiter der Individuellen Schwerstbehinderten-Betreuung in Hamburg (ISB). Dort kümmern sich 35 Zivildienstleistende, zehn junge Frauen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) leisten, sowie freie Mitarbeiter um insgesamt 17 Schwerstbehinderte.

Auch der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) äußert sich besorgt über den Freiwilligendienst. Es müssten gleiche gesetzliche Rahmen gelten wie beim FSJ, sagte der Sprecher des ASB in Hamburg, Remmer Koch, dem Abendblatt. "Zu viele Fragen zu Leistungen, Verdiensten, Fortbildungen und Anerkennung der Freiwilligen sind unklar."

Wer den Bundesfreiwilligendienst antritt, hat keinen Anspruch mehr auf Kindergeld. Die Zeit kann bisher nicht auf die Wartezeit für einen Studienplatz angerechnet werden. Darüber hinaus fallen Vergünstigungen weg, wie kostenlose Familienheimfahrten oder Berufsförderungsmaßnahmen wie Fremdsprachenkurse. Dennoch ist Koch zuversichtlich, dass der ASB in Hamburg die mehr als 30 Zivildienstleistenden ab Sommer durch Freiwillige ersetzen kann. "Wir werden keine Leistungen einstellen müssen", sagte Koch.

Daran glaubt auch Georg Kamp, der Vorstandsvorsitzende des DRK-Landesverbandes in Hamburg. "Wir sind optimistisch, dass wir keine Leistungen des DRK einstellen müssen durch den Wegfall des Zivildienstes", sagte er dem Abendblatt. Das liege aber auch daran, dass "wir nur wenige Zivildienstleistende beschäftigt haben". Auf die Ausschreibung im Internet für die neuen Freiwilligen haben sich bisher zwei Bewerber gemeldet - eine Schülerin und ein 43 Jahre alter Mann.