Eine Glosse von Oliver Schirg

Es ist wie jedes Jahr. Kaum verheißen Sonnenschein und Temperaturen über dem Gefrierpunkt den Frühling, glaubt fast jeder sich zum Radfahrer berufen.

Statt Bus, Bahn oder das Auto zu nehmen, wird losgeeiert, was das Zeug hält. Gestern noch leer, verwandeln Radwege sich quasi über Nacht in übervolle Schleichspuren.

Es ist, als hätten Hunderte Hobbyradler beschlossen, jenen Unerschrockenen, die selbst Schnee oder Eis nicht vom Radfahren abhalten, das letzte Stück Freiheit zu rauben.

Aber nicht nur das. Fahrradwege sind von Natur aus schmal, uneben und voller Schlaglöcher. Geschicklichkeit gehört ebenso zum Radfahren wie ein aufgepumpter Reifen. Könnte man meinen. Nicht so in Hamburg. Hier darf jede/r Rad fahren, wie sie/er will. Die Mutter mit dem Kleinkind auf dem Gepäckträger, die glaubt, bremsen sei etwas für die anderen. Oder der Anzugträger, der aufrecht auf seinem Rad einfach nur peinlich wirkt.

An Kreuzungen wiederum wird von den Sonntagsradlern gegen ein Grundgesetz der Physik verstoßen, wonach zwei Körper zur gleichen Zeit nicht an ein und demselben Ort sein können. "Gequetscht! Nicht geklingelt" - so die Regel. Wenn überhaupt angehalten wird. Eine Vielzahl der Radler sieht im Rot einer Ampel ohnehin nur einen Vorschlag der Verkehrsbehörde und hält sich lieber an das Motto: "Wer bremst, verliert!"

Ach ja: Warum auch sollte man mit dem ausgestreckten Arm die Richtungsänderung anzeigen oder mal kurz über die Schulter blicken, bevor man die Spur wechselt? Gegenseitige Rücksichtnahme ist was für Spießer.