Der erste Große Michel entsprach noch dem alten katholischen Muster, erst sein Nachfolger wurde zum großen Wurf

Neustadt. Als am 14. März 1661 der erste Große Michel geweiht wurde, erklang der Choral "Nun lob mein Seel den Herren", den Thomas Selle, der als Musikdirektor der Hauptkirchen amtierte, eigens für diesen Anlass komponiert hatte. Rat und Bürgerschaft, aber auch viele einfache Bewohner des 1647 in der Neustadt gegründeten Michaelis-Kirchspiels waren gekommen, um das großartige Gebäude zu bewundern, das seit 1648 in den Himmel gewachsen war und nun einen völlig neuen städtebaulichen Akzent setzte.

Die Michaeliskirche, die die Funktion des um 1600 errichteten, längst aber zu klein gewordenen "kleinen Michel" übernahm, folgte noch dem architektonischen Leitbild der anderen vor der Reformation erbauten Hauptkirchen. Und das stieß durchaus auf Kritik. So schrieb der Hamburger Pastor Johann Balthasar Schupp, der an St. Jacobi predigte, in einem 1659 veröffentlichten Buch: "Die Kirchen werden heute bei den Lutheranern nicht richtig erbaut." Für die Katholiken sei es ja in Ordnung, lange Räume mit Pfeilern und Säulen zu errichten, die Protestanten brauchten jedoch zentrale Räume, in denen die Predigt gut gehört werden könne.

Ein Kupferstich von 1749 zeigt einen Blick in die beinahe noch spätgotisch anmutende Halle: Über ein breites Mittelschiff und zwei schmale Seitenschiffe spannte sich das von sechs Säulen getragene Gewölbe. Die Kirche hatte Seitenemporen und ein festes Gestühl, die Kanzel befand sich am mittleren südlichen Seitenpfeiler. Hinter niedrigen Schranken erhob sich im Chor ein hoher, dreifach gegliederter Portikusaltar mit plastischem Figurenschmuck.

In seiner "Kunstgeschichte der Stadt Hamburg" bezeichnet der frühere Hamburger Senatsdirektor Volker Plagemann den Bau als die "in den Ausdehnungen größte deutsche Kirche des 17. Jahrhunderts", die das "protestantische Pendant zur gegenreformatorischen Michaeliskirche in München" bildete. Die Kirche, deren Turm erst 1669 vollendet war, wertete die barocke Neustadt städtebaulich stark auf, sie existierte aber nicht einmal 90 Jahre: Bei einem heftigen Gewitter wurde der Turm am 10. März 1750 vom Blitz getroffen. Der hölzerne Dachstuhl fing binnen kürzester Zeit Feuer. Die kupferne Haut der Laterne schmolz, wenig später stürzte der Turmhelm mit den Glocken hinab. Nur mit Mühe gelang es der Feuerwehr, das Übergreifen der Flammen auf die benachbarten Häuser zu verhindern. Ein Zimmermann, der bei den Löscharbeiten verunglückte, blieb das einzige Todesopfer.

Schon ein Jahr später fand die Grundsteinlegung für den neuen Großen Michel statt. Der Neubau lag in den Händen der Architekten Johann Leonhard Prey und Ernst Georg Sonnin. Endgültig fertiggestellt wurde er erst 1786 mit der Einweihung des klassizistischen Turms, der mit seinem markanten Helm rasch zu Hamburgs wichtigstem Wahrzeichen wurde. Anders als der vor 350 Jahren geweihte erste Große Michel gehört die Hauptkirche in ihrer heutigen Form zu den bedeutendsten evangelischen Kirchenbauten - vergleichbar mit der etwa zur gleichen Zeit entstandenen Dresdner Frauenkirche.