1,6 Millionen Deutsche verbringen ihren Urlaub auf dem Wasser. Der Chef von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, Sebastian Ahrens, zur Zukunft der Branche.

Hamburg/Berlin. Der Boom im Kreuzfahrttourismus ist ungebrochen. Seit 1997 verbringen immer mehr Menschen ihren Urlaub auf dem Wasser. Waren es damals gut 280 000, so lag die Zahl 2010 bei 1,22 Millionen Reisenden - eine Steigerung um mehr als 330 Prozent. Auch die Zahl der Gäste auf Flussschiffen stieg 2010 weiter - im Jahresvergleich um 9,3 Prozent auf 432.766, berichtet der Deutsche Reiseverband (DRV) in seiner Kreuzfahrtanalyse 2010. Beim Umsatz gab es für die Hochseekreuzer zwar nur ein Plus von 7,2 Prozent auf 2,068 Milliarden Euro, und auch der Durchschnittspreis für eine Reise sank um 185 auf 1696 Euro. Dennoch rechnet Sebastian Ahrens, Chef von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten und Schifffahrtsexperte des DRV, mit weiterem Wachstum. Das Abendblatt sprach mit ihm über neue Trends und Schiffe.

Hamburger Abendblatt: Herr Ahrens, gegenüber dem guten Jahr 2009 stieg die Zahl der Hochseepassagiere 2010 weiter um 18,9 Prozent. War dieses große Plus zu erwarten?

Sebastian Ahrens: Überraschend ist, wie stark der Zuwachs war. Er ist der höchste seit 2003. Experten haben aber damit gerechnet, dass die Zahl der Buchungen steigt. Internationale Reedereien, aber auch die TUI oder Aida Cruises haben neue Schiffe eingesetzt. Und bisher ist es immer gelungen, sie zu füllen. Kreuzfahrten sind inzwischen keine Trendurlaube mehr, sie sind als eine wichtige Alternative akzeptiert.

Der Umsatz ist aber geringer gestiegen als die Passagierzahl. Wurden Gäste mit Billigtickets an Bord geholt?

Ahrens: Tatsächlich ist der Durchschnittspreis gesunken. Das heißt aber nicht, dass die Reedereien nun auf breiter Front an der Preisschraube drehen. Vielmehr gab es Schieflagen von Unternehmen, und sie haben versucht, über günstige Preise noch etwas zu retten. Auch gibt es inzwischen Einstiegsangebote, bei denen man für 500 Euro sieben Tage auf einem Schiff verbringen kann. Wichtig ist aber vor allem, dass auf großen Kreuzfahrtschiffen mit mehr als 2000 Passagieren oftmals kürzere Reisen angeboten werden. Sieben statt bisher im Schnitt mehr als neun Tage. Das wirkt sich auf die Preise aus.

Sinken die Preise weiter?

Ahrens: Eher nicht. Der Durchschnittspreis pro Tag dürfte wegen des hohen Interesses in diesem Jahr von 185 auf mehr als 190 Euro steigen.

Fünf Neubauten und drei Umbauten sollen bis Ende 2013 auf den deutschen Markt kommen. Sind das nicht zu viele neue Plätze an Bord?

Ahrens: Nein. Denn bisher buchen weniger als zwei Prozent der Deutschen Kreuzfahrten. In den kommenden Jahren wird der Markt weiter wachsen. Innerhalb von acht bis höchstens zehn Jahren werden doppelt so viele Menschen wie heute ihren Urlaub auf dem Wasser verbringen.

Woher kommt das wachsende Interesse?

Ahrens: Dafür gibt es mehrere Gründe. Schiffsreisen bieten zum einen die Möglichkeit, jeden Tag ein neues Ziel zu entdecken, ohne umständlich ein- und auspacken zu müssen. Dazu entspricht das Angebot an Bord bei Restaurants, Entertainment, Wellness, Fitness und kulturellen Themen mindestens dem von vergleichbaren Vier- und Fünf-Sterne-Hotels an Land. Das Erlebnis auf dem Wasser gilt als erholsam, weil sich die Passagiere auch zurückziehen können. Was ist romantischer, als abends an der Reling zu stehen, eine leichte Brise zu spüren und ins Heckwasser des Schiffes zu schauen?

Hätte Hapag-Lloyd Kreuzfahrten bei diesen Aussichten die eigene Flotte nicht schon eher ausbauen müssen?

Ahrens: Ja. Aber gerade für die von uns eingesetzten kleineren Schiffe wie die neue "Europa 2" waren die Werftpreise lange Zeit zu hoch. Jetzt haben wir auch für die Finanzierung durch die Banken den besten Moment getroffen.

Das Unternehmen will Familien mit Kindern und Berufstätige als Gäste der "Europa 2" ansprechen. Warum?

Ahrens: Gerade in unserem Fünf-Sterne-Luxusbereich kommen Kreuzfahrten auch bei der jüngeren Generation gut an. Auf der "Europa" waren wir aber mit unseren Angeboten schon bei 30 Kindern an Bord am Limit. Da liegt es auf der Hand, dass wir auf der "Europa 2", die sich an ein Publikum ab 45 Jahren richtet, bis zu 80 Kinder mitnehmen wollen. Die siebentägigen Reisen sind auf den knappen Zeitrahmen von Berufstätigen ausgerichtet.

Wie viele Menschen können sich Tagessätze von 500 Euro pro Person leisten?

Ahrens: In jedem Fall genug für unsere Flotte. Die Zahl der Passagiere, die mehr als 400 Euro pro Tag ausgeben, ist seit 2006 außerdem überdurchschnittlich gestiegen. Sie liegt bei 2,2 Prozent der 1,2 Millionen, also bei knapp 27 000.

Mit der "Columbus 2" soll von April 2012 an auch im Vier-Sterne-Bereich das Angebot erweitert werden. Wird das Schiff mit günstigen Angeboten eingeführt?

Ahrens: Das werden wir auf keinen Fall tun. Schon deshalb, weil das Schiff in seiner Klasse mit den größten Raum pro Passagier bietet. Die "Columbus 2", die bisher als "Insignia" für Oceania Cruises fährt, ist von April 2012 an für zwei Jahre mit einer Option für ein weiteres gechartert. Entwickelt sich das Geschäft gut, könnte in diesem Bereich ein weiteres Schiff dazukommen.

Die "Columbus 2" wird auf Mallorca getauft. Kommt dafür für die "Europa 2" Hamburg infrage?

Ahrens: Hamburg hat bei solchen Anlässen immer eine sehr gute Chance. Wir sind ein Hamburger Unternehmen und der Stadt verbunden. Die Entscheidung treffen wir im Laufe dieses Jahres.